Gewalt im Strafvollzug: Prävalenz, Erscheinungsformen und Risikofaktoren (original) (raw)

Prädiktoren für Gewalt während des Strafvollzugs

Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, 2008

The factors leading to violent behaviour in prison have been the subject of various research projects. Besides causing financial and structural damage to the penitentiary, violent behaviour during prison sentences is considered to be an important predictor of re-offending. The following article provides an overview of the research literature concerning predictors of violence during imprisonment. The examined criteria include socio-demographic (e.g. age, marital status and level of education) as well as criminological (e.g. previous violent convictions, duration of sentence and type of offence) factors.However, the analysis of the significance of the individual factors is not conclusive. Considering the results of numerous replication studies, young age seems to be connected to an increase in risk for intramural infractions while partnership (marriage) seems to have a protective influence. Regarding vocational training and educational level, mixed results were found. However, being unemployed at the time of the crime seemed to increase the risk for rule violations during imprisonment in most studies analysed.Furthermore, it is generally accepted that duration of sentence and time already served has an influence on the risk of violence as well. Inmates with shorter or finite sentences presented violent behaviour more frequently. The relationship between duration of sentence and violent infractions has repeatedly been described as an inverse U-shaped curve. Accordingly, most violations of prison rules occurred in mid-sentence. The literature examined presents inconsistent results concerning previous violent convictions, type of index offence, ethnic origin and the influence of alcohol consumption and drug use. Evidence seems to be more consistent regarding pre-existing risk-associated socio-demographic variables rather than institutional conditions. Overall comparability of the studies was, however, reduced by the fact that violent behaviour was defined very heterogeneously in the different institutions – sometimes even including verbally aggressive behaviour. Institutions also differed in the likelihood of an infraction being recorded. The heterogeneity of the results can furthermore be explained with the very different cultural and sociological backgrounds of the different institutions examined. As prognostic models are very sample sensitive it is vital to define precisely for which populations the prediction is valid and to examine samples of appropriate size and representativeness as well as control a wide variety of influencing factors with multivariable controlling strategies.

Editorial: Strafvollzug und Kritik – Einleitende Assoziationen zu einem spannungsreichen Verhältnis

2016

Wenngleich es sich bei der im Titel dieses Themenheftes gewählten Wortpaarung von Strafvollzug und Kritik um eine augenscheinlich ungleiche handelt, signalisiert bereits die Konjunktion "und", dass sich die Begriffe in viel fäl tiger Weise produktiv zueinander in Beziehung setzen lassen. Dafür mag eine etymologische "Wahrheitssuche" -bezeichnet das griechische Etymon doch "das Wahre" -einen guten Ausgangspunkt darstellen. Vergewissert man sich der Herkunft des Begriffes Kritik, so lassen sich eine Fülle von Bedeutungsfeldern ausmachen: Man erfährt, dass das Abstraktum "Kritik" und dessen Vorstufe "kritisch" sich über das französische critique, dem lateinischen criticus sowie dem griechischen kritikós zum Verb krīńein zurückverfolgen lassen, was ungefähr mit "scheiden, trennen, entscheiden" zu übersetzen ist .

Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug – Zu Viktimisierungs- und Tätererfahrungen junger Strafgefangener

2013

Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor, über das bereits in Heft 2/2011 (S. 133-146) berichtet wurde. Im Jugendstrafvollzug ist danach die Zahl der Gefangenen, die angeben, selbst Gewalt gegen andere Gefangene ausgeübt bzw. solche Gewalt erlitten zu haben, beträchtlich. Dabei überschneiden sich die Gruppen von Tätern und Opfern weitgehend. Bloße Täter bzw. Opfer stellen eine Minderheit dar. Die verschiedenen Gruppen sind durch Einstellungsunterschiede gekennzeichnet. Stark ausgeprägt ist die Gewaltakzeptanz u.a. in der Gruppe der Täter/Opfer; dort finden sich auch vermehrt negative Einstellungen gegenüber Opfern. Im Längsschnitt zeigt sich, dass unter den Gruppen Fluktuation herrscht und die Gefangenen nicht selten in eine Gruppe mit starker Gewaltausübung wechseln. Die Ergebnisse sprechen für einen Prozess der Anpassung an die Gefangenensubkultur und ihre gewaltlegitimierenden Normen. Interventions- und Präventionsmaßnahmen müssen berüksichtigen, dass die meisten Gefangenen Täter und Opfer von Gewalt sind.

Gewalt als Anpassungsstrategie? Zum Umgang mit Belastungen im Jugendstrafvollzug

2016

Jugendstrafgefangene gelten als eine hoch belastete Bevölkerungsgruppe. Intraprisonäre Gewalt kann als mögliche Anpassungsstrategie auf die – durch die Haft mitunter verstärkten – Belastungslagen verstanden werden. Der nachfolgende Beitrag stellt umfassend die Ergebnisse aus einer Längsschnittstudie im Jugendstrafvollzug vor. Dabei werden verschiedene Importations- und Deprivationsmerkmale zu Gewalt unter männlichen Jugendstrafgefangenen in Bezug gesetzt, um der Frage nachzugehen, inwiefern Gewalt als eine Anpassungsstrategie an die Haft gesehen werden kann.

Gewalt – Wahrnehmungen, Betrachtungen, Darstellungen

Humboldt-Universität zu Berlin, bologna.lab eBooks, 2016

Wie werden Gewalterfahrungen wahrgenommen, betrachtet, gedeutet und dargestellt? Und wie können wir uns diesen Gewaltdarstellungen wissenschaftlich nähern? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Q-Tutoriums. Auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Materialien haben wir uns diesen Fragen genähert und sie diskutiert. Dabei gerieten sowohl theoretische Ansätze als auch Bild-und Textmaterial aus Geschichte und Gegenwart in den Fokus. An zwei Wochenenden haben wir einzeln und in der Gruppe, im Seminarraum und im Museum, an Texten, Bildern, Radiobeiträgen und Gegenständen gearbeitet und immer wieder nach den Darstellungsformen undmöglichkeiten von Gewalt gefragt und dabei das Verhältnis von realen Gewalterfahrungen und dem Abbilden von Gewalt problematisiert und diskutiert. Erfahrungsbericht Bei einem ersten Kennenlern-und Auftaktreffen haben wir die organisatorischen Fragen geklärt, den Ablaufplan besprochen, die Teilnahmebedingungen, den Erwerb von Leistungspunkten und sowohl mündlich als auch in anonymisierter Fragebogenform die Vorkenntnisse, Interessen und Erwartungen ausgetauscht.

Opferorientierung im Strafvollzug

Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften, 2019

Opferorientierung im Justizvollzug, das sich Ausrichten an den Bedürfnissen der Opfer von Straftaten auch in einem späten Stadium des Verfahrens, nach dem Urteil-unter diesem Motto stand die am 16. und 17. Oktober 2017 an der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführte Fachtagung. Das Thema steht im deutschen Justizvollzug bislang nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Aufgaben des Justizvollzuges ergeben sich aus den Strafvollzugsgesetzen der Länder. Der Strafvollzug soll die Gefangenen befähigen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen; zugleich soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten geschützt werden. Die Resozialisierungsbemühungen konzentrieren sich demzufolge auf die Täterinnen und Täter. Erfolgreiche Wiedereingliederung entlassener Gefangener bedeutet Opferschutz, weil künftige Opfer vermieden werden. Die Initiativen zu einer Opferorientierung im Justizvollzug, wie sie bei dieser Fachtagung vorgestellt und diskutiert wurden, nehmen die Opfer selbst in den Blick und richten die Aufmerksamkeit auf die Belange der Opfer von Straftaten. Inwiefern insbesondere der deutsche Justizvollzug in der Praxis den legitimen Bedürfnissen bereits jetzt gerecht wird und an welchen Stellen Reformbedarf besteht, diesen Fragen stellten sich Vertreter verschiedenster Fachbereiche, neben dem Justizvollzug selbst auch solche aus dem ambulanten Sozialdienst, aus der Staatsanwaltschaft, von Opferhilfeverbänden und aus der Wissenschaft. Die aktuelle Gesetzeslage könnte dabei optimistisch stimmen. Der Gedanke eines opferorientierten Vollzugs findet sich mittelbar in allen Landesstrafvollzugsgesetzen wieder, § 2 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG beispielsweise schreibt ausdrücklich vor: "Die Einsichten der Gefangenen in das Unrecht ihrer Straftaten und ihre Bereitschaft, für deren Folgen einzustehen, sollen geweckt und gefördert werden.". In § 15 Abs. 1 heißt es weiter: "ˡDer oder dem Gefangenen können für Lockerungen Weisungen erteilt werden. ²Dabei sind die berechtigten Interessen der durch ihre oder seine Straftaten Verletzten sowie das Schutzinteresse gefährdeter Dritter zu berücksichtigen."

Gewalt und Suizid im Jugendstrafvollzug – Ein Zwischenbericht

Täter - Taten - Opfer. Grundlagenfragen und aktuelle Probleme der Kriminalität und ihrer Kontrolle. Neue Kriminologische Schriftenreihe der Kriminologischen Gesellschaft e.V.; Band 114

Im Namen des Justizministeriums Baden-Württemberg möchte ich Sie bei der 12. Wissenschaftlichen Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft ganz herzlich begrüßen.

Gewalt und Strafe. Dekonstruktionen zum Recht auf Gewalt

Königshausen & Neumann, 2007

Was heißt es, ein Recht auf Gewalt zu besitzen? Eine Dominanz neu-kantianischer Vorstellungen konnte nicht verhindern, dass die Ränder des reinen Rechts durch eine moralische Politik beherrscht werden und dass souveräne Gewalt als ein politisches Mittel betrachtet wird. In der Konjunktur von souveräner Gewalt sind erneute Diskussionen über die Zusammenhänge von Politik, Gesetzgebung, Recht und Gewalt notwendig. Das Thema der Publikation ist "Gewalt und Strafe". Einerseits schließt das Buch an Diskussionen bei Jacques Derrida, Jean-Luc Nancy, Werner Hamacher und Giorgio Agamben an, andererseits führt die Publikation den Leser / die Leserin zu entscheidenden Argumentationen innerhalb historischer Texte: z. B. bei Sigmund Freud, Hans Gross, Otto Gross, Martin Heidegger, Franz Kafka und Immanuel Kant. In den einzelnen Kapiteln setzt sich die Publikation mit Gewaltstrukturen, Lagertheorien, der Todesstrafe, mit Theorien des Ausnahmezustands, der Strafkoloniedebatte um 1900, mit revolutionären Praktiken und dem Pazifismus auseinander. Begleitet werden diese Destruktionen der Gewalt und Strafe von Untersuchungen zur Menschwerdung (Immanuel Kant, Sigmund Freud), zur Traumfrage (Sigmund Freud, Walter Benjamin) und zur Frage nach dem Ding (Martin Heidegger, Aristoteles, Werner Hamacher), um die Möglichkeit einer anderen Ethik zu eröffnen.