Prädiktoren für Gewalt während des Strafvollzugs (original) (raw)

Gewalt im Strafvollzug: Prävalenz, Erscheinungsformen und Risikofaktoren

PRAXIS, 2009

Beim Vergleich verschiedener Studien über Gewalt im Strafvollzug ist zu berücksichtigen, dass sich Vollzugsinstitutionen stark voneinander unterscheiden. Studien aus der Schweiz ergaben, dass etwa jeder vierte Insasse mindestens einmal während der Haft mit Gewalt auffällt. Dabei haben die Gewalthandlungen unterschiedliche Erscheinungsformen. Die spezifische Charakterisierung der Gewalt nach Art, Ziel, Auswirkung und Auslöser ist darum wichtig. Bestehende Instrumente zur Kriminalprognose eignen sich nicht zur Schätzung des Risikos gewalttätiger Handlungen im Strafvollzug, weshalb die Entwicklung spezifischer Modelle für diese Fragestellung notwendig ist. In internationale Studien wurden diverse Risikomerkmale identifiziert. Auf Schweizer Verhältnisse lassen sich diese jedoch aufgrund der erwähnten Institutionsunterschiede nur teilweise übertragen.

Opferorientierung im Strafvollzug

Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften, 2019

Opferorientierung im Justizvollzug, das sich Ausrichten an den Bedürfnissen der Opfer von Straftaten auch in einem späten Stadium des Verfahrens, nach dem Urteil-unter diesem Motto stand die am 16. und 17. Oktober 2017 an der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführte Fachtagung. Das Thema steht im deutschen Justizvollzug bislang nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Aufgaben des Justizvollzuges ergeben sich aus den Strafvollzugsgesetzen der Länder. Der Strafvollzug soll die Gefangenen befähigen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen; zugleich soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten geschützt werden. Die Resozialisierungsbemühungen konzentrieren sich demzufolge auf die Täterinnen und Täter. Erfolgreiche Wiedereingliederung entlassener Gefangener bedeutet Opferschutz, weil künftige Opfer vermieden werden. Die Initiativen zu einer Opferorientierung im Justizvollzug, wie sie bei dieser Fachtagung vorgestellt und diskutiert wurden, nehmen die Opfer selbst in den Blick und richten die Aufmerksamkeit auf die Belange der Opfer von Straftaten. Inwiefern insbesondere der deutsche Justizvollzug in der Praxis den legitimen Bedürfnissen bereits jetzt gerecht wird und an welchen Stellen Reformbedarf besteht, diesen Fragen stellten sich Vertreter verschiedenster Fachbereiche, neben dem Justizvollzug selbst auch solche aus dem ambulanten Sozialdienst, aus der Staatsanwaltschaft, von Opferhilfeverbänden und aus der Wissenschaft. Die aktuelle Gesetzeslage könnte dabei optimistisch stimmen. Der Gedanke eines opferorientierten Vollzugs findet sich mittelbar in allen Landesstrafvollzugsgesetzen wieder, § 2 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG beispielsweise schreibt ausdrücklich vor: "Die Einsichten der Gefangenen in das Unrecht ihrer Straftaten und ihre Bereitschaft, für deren Folgen einzustehen, sollen geweckt und gefördert werden.". In § 15 Abs. 1 heißt es weiter: "ˡDer oder dem Gefangenen können für Lockerungen Weisungen erteilt werden. ²Dabei sind die berechtigten Interessen der durch ihre oder seine Straftaten Verletzten sowie das Schutzinteresse gefährdeter Dritter zu berücksichtigen."

Editorial: Strafvollzug und Kritik – Einleitende Assoziationen zu einem spannungsreichen Verhältnis

2016

Wenngleich es sich bei der im Titel dieses Themenheftes gewählten Wortpaarung von Strafvollzug und Kritik um eine augenscheinlich ungleiche handelt, signalisiert bereits die Konjunktion "und", dass sich die Begriffe in viel fäl tiger Weise produktiv zueinander in Beziehung setzen lassen. Dafür mag eine etymologische "Wahrheitssuche" -bezeichnet das griechische Etymon doch "das Wahre" -einen guten Ausgangspunkt darstellen. Vergewissert man sich der Herkunft des Begriffes Kritik, so lassen sich eine Fülle von Bedeutungsfeldern ausmachen: Man erfährt, dass das Abstraktum "Kritik" und dessen Vorstufe "kritisch" sich über das französische critique, dem lateinischen criticus sowie dem griechischen kritikós zum Verb krīńein zurückverfolgen lassen, was ungefähr mit "scheiden, trennen, entscheiden" zu übersetzen ist .

Gewalt als Anpassungsstrategie? Zum Umgang mit Belastungen im Jugendstrafvollzug

2016

Jugendstrafgefangene gelten als eine hoch belastete Bevölkerungsgruppe. Intraprisonäre Gewalt kann als mögliche Anpassungsstrategie auf die – durch die Haft mitunter verstärkten – Belastungslagen verstanden werden. Der nachfolgende Beitrag stellt umfassend die Ergebnisse aus einer Längsschnittstudie im Jugendstrafvollzug vor. Dabei werden verschiedene Importations- und Deprivationsmerkmale zu Gewalt unter männlichen Jugendstrafgefangenen in Bezug gesetzt, um der Frage nachzugehen, inwiefern Gewalt als eine Anpassungsstrategie an die Haft gesehen werden kann.

Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug – Zu Viktimisierungs- und Tätererfahrungen junger Strafgefangener

2013

Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor, über das bereits in Heft 2/2011 (S. 133-146) berichtet wurde. Im Jugendstrafvollzug ist danach die Zahl der Gefangenen, die angeben, selbst Gewalt gegen andere Gefangene ausgeübt bzw. solche Gewalt erlitten zu haben, beträchtlich. Dabei überschneiden sich die Gruppen von Tätern und Opfern weitgehend. Bloße Täter bzw. Opfer stellen eine Minderheit dar. Die verschiedenen Gruppen sind durch Einstellungsunterschiede gekennzeichnet. Stark ausgeprägt ist die Gewaltakzeptanz u.a. in der Gruppe der Täter/Opfer; dort finden sich auch vermehrt negative Einstellungen gegenüber Opfern. Im Längsschnitt zeigt sich, dass unter den Gruppen Fluktuation herrscht und die Gefangenen nicht selten in eine Gruppe mit starker Gewaltausübung wechseln. Die Ergebnisse sprechen für einen Prozess der Anpassung an die Gefangenensubkultur und ihre gewaltlegitimierenden Normen. Interventions- und Präventionsmaßnahmen müssen berüksichtigen, dass die meisten Gefangenen Täter und Opfer von Gewalt sind.

„Er war halt der Meinung, er kann mich vollquatschen“ – Gewaltkarrieren junger Strafgefangener vor und während des Freiheitsentzuges

2013

Im Beitrag werden die Gewaltkarrieren 32 junger Strafgefangener rekonstruiert. Im Rückgriff auf anerkennungstheoretische Studien wird in der Analyse der leitenden Frage nachgegangen, in welchem Zusammenhang vorinstitutionelle Opfer- und Tätererfahrungen mit Gewalthandlungen innerhalb des Strafvollzugs stehen. Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt auf der Rekonstruktion der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Handlungsmotiven eigener Gewaltaktivität in derart ungleichen Handlungskontexten. Wie konstituieren sich Gewalthandlungen und deren zugrundeliegenden Motive vor dem Hintergrund familiärer Viktimisierung und unter Bedingungen strukturell eingeschränkter Autonomie? "He just thought he could piss me off" - Young prisoners’ careers of violence before and during imprisonment In this paper, the careers of violence of 32 young prisoners are reconstructed. Relying on recogni-tion-theory it will be investigated how pre-prison experiences of victimization and perpetration are related to violence within the prison system. The main focus of the analysis lies on the recon-struction of the similarities and differences in the motives of interpersonal violence in such disparate contexts of action. How are violence and its underlying motives constituted against the background of domestic victimization and under conditions of structurally diminished autonomy?

Musik im Strafvollzug

Musikinformationszentrum, 2023

Musik im Strafvollzug – unter diesem weit gefassten Titel werden im Folgenden Grundlagen musikalischer Fördermaßnahmen und Aktivitäten im Rahmen eines rechtlich und institutionell begründeten Freiheitsentzuges vermittelt. Neben der Klärung von Grundsatzfragen samt begrifflicher und systemischer Aspekte zeigt der Text internationale Perspektiven, Praxisbeispiele sowie mögliche Arbeitsfelder.

Gewalt und Strafe. Dekonstruktionen zum Recht auf Gewalt

Königshausen & Neumann, 2007

Was heißt es, ein Recht auf Gewalt zu besitzen? Eine Dominanz neu-kantianischer Vorstellungen konnte nicht verhindern, dass die Ränder des reinen Rechts durch eine moralische Politik beherrscht werden und dass souveräne Gewalt als ein politisches Mittel betrachtet wird. In der Konjunktur von souveräner Gewalt sind erneute Diskussionen über die Zusammenhänge von Politik, Gesetzgebung, Recht und Gewalt notwendig. Das Thema der Publikation ist "Gewalt und Strafe". Einerseits schließt das Buch an Diskussionen bei Jacques Derrida, Jean-Luc Nancy, Werner Hamacher und Giorgio Agamben an, andererseits führt die Publikation den Leser / die Leserin zu entscheidenden Argumentationen innerhalb historischer Texte: z. B. bei Sigmund Freud, Hans Gross, Otto Gross, Martin Heidegger, Franz Kafka und Immanuel Kant. In den einzelnen Kapiteln setzt sich die Publikation mit Gewaltstrukturen, Lagertheorien, der Todesstrafe, mit Theorien des Ausnahmezustands, der Strafkoloniedebatte um 1900, mit revolutionären Praktiken und dem Pazifismus auseinander. Begleitet werden diese Destruktionen der Gewalt und Strafe von Untersuchungen zur Menschwerdung (Immanuel Kant, Sigmund Freud), zur Traumfrage (Sigmund Freud, Walter Benjamin) und zur Frage nach dem Ding (Martin Heidegger, Aristoteles, Werner Hamacher), um die Möglichkeit einer anderen Ethik zu eröffnen.

Drohungen als Vorboten schwerer Gewalttaten

Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, 2006

Threats are frequent events. For example, in Switzerland in 2002 they accounted for 2.8% of all registered instantaneous crimes and showed a marked increase. Only a small proportion of threats are actually executed. On the other hand, many serious, violent crimes are preceded by threats. Therefore, the question repeatedly arises as to whether the crime could have been prevented by an adequate assessment of the threat. Even if threatening behavior is not a sufficient or necessary precursor to violent crime, it is advisable to take every threat seriously and to carry out a risk as- sessment. There is far−reaching agreement on the necessity of threat analysis, especially since there is practical evidence that professional risk analysis can prevent criminal acts. Since the baseline rate for grievous violent crime is very low, it is not possible for threat analysis to rely on profile−oriented (static) procedures. Rather, a process−oriented approach is indicated, whereby each threat is assessed in its individual context. Investigations so far have presented findings relating to different aspect of threats that can be helpful in the evaluation of specific, individual cases. In addition to specific analysis of the characteristics of the threat, it is essential to perform a detailed analysis of the relationship between the offender and the victim and of the offender’s personality. It is to be expected that more extensive research will make it possible to benefit from an as yet inadequately exploited potential to prevent violent crime.

Folgen von Gewalterfahrungen

Praxis Der Kinderpsychologie Und Kinderpsychiatrie, 2009

Efects of Traumatic Stress he diagnosis PTSD does not adequately describe the impact of exposure to childhood trauma of the developing child. he objective of the study was to examine the prevalence of diferent interpersonal trauma types and to describe the long-term efects of maltreatment and neglect in a clinical sample of 34 adolescents. he majority (62 %) of the sample was exposed to two diferent types of trauma during childhood. Emotional abuse and emotional neglect have been the most common trauma types (59 %; 53 %). 71 % of the traumatized adolescents did not meet the criteria for PTSD. he most common diagnosis in the sample was Borderline Personality Disorder. All average scores at SCL-90-Symptom-Scale were clinical signiicant. Half of the sample reported suicide attempts and self destructive behavior. One third reported substance abuse and aggressive behavior against others respectively. None of the traumatized adolescents had a positive Self-concept. Altogether the results show that abused children and adolescents have a range of psychological sequelae that are not captured in the PTSD diagnostic criteria. herefore the results support the necessity for a new and more precise diagnosis for chronically traumatized children and adolescents.