Die moarlische Hypothek des toten Tyrannen - Plinius, Tacitus und die Diskussion über die Führungselite der post-domitianischen Ära (erscheint in: Elke Hartmann u.a. (Hgg.), Moral als Kapital im antiken Athen und Rom, Stuttgart) (original) (raw)
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2018
War Plinius eine ‚Klatschbase'? Die Frage ist nicht so absurd, wie sie scheinen mag. Denn in einem gewohnt elaborierten Kunstbrief führt Plinius aus, welche Freuden ihm das Landleben bereitet, und kontrastiert dabei in geradezu idealtypischer Weise die antike Konzeption des ländlichen otium mit dem negotium, das einen in der Stadt erwartet. Eine der lästigen Aufgaben, von denen man auf dem Land befreit ist, charakterisiert Plinius wie folgt: "Nichts höre ich, was zu hören, nichts sage ich, was zu sagen ich bereuen würde; niemand verleumdet irgendwen bei mir mit bösen Reden und ich selbst tadle niemanden, außer mich selbst, wenn ich weniger schreibe, als ich sollte; keine Hoffnung, keine Angst bewegt mich, von keinen Gerüchten werde ich beunruhigt: so sehr unterhalte ich mich mit mir selbst und meinen Büchern." 1 Es lohnt sich, diese Aussage genauer zu betrachten. Das Sammeln, Weitergeben und Beobachten von Gerüchten stellt für Plinius offenbar einen integralen Bestandteil dessen dar, was ein Aristokrat in der Stadt zu tun hat. Das ist nicht selbstverständlich: Wie PASCAL FROISSART in einer Geschichte zur Erforschung und Diskursivierung von Gerüchten im 20. Jh. gezeigt hat, werden in der Moderne Gerüchte vor allem als Phänomen erstens von Unterschichten und zweitens von Frauen angesehen. 2 Nicht dass das der Realität entspräche, die sieht-das macht FROISSART sehr deutlich 3-ganz anders aus, zentral ist die Selbstbeschreibung, die damit, ob treffend oder nicht, gemacht wird. Da ist es doch interessant, dass im antiken Rom der Umgang mit Gerüchten als zentraler Bestandteil des aristokratischen negotium angesehen wird. Oder anders formuliert: Ja, Plinius war eine
2023
The death of a citizen on the battlefield carries significant social implications. Beyond the practical challenges of dealing with war casualties, the fallen citizen also imposes the burden of assigning meaning to the deceased, and can easily become a focal point of societal conflicts. The act of self-sacrifice for the collective confronts the community with the inherently political dimension of death. This book critically examines this complex issue in the context of ancient democracy in classical Athens. The first part of the study offers a comprehensive reassessment of the historical development and political significance of Athenian commemoration of the fallen. Building on this, the second part delves into the genre of literary “funeral orations” (epitaphioi logoi), written by prominent authors such as Gorgias, Thucydides, Lysias, Plato, and Demosthenes. These literary works generate finely calibrated tensions in the political discourse of their time. For the first time, this study provides a detailed analysis and historical contextualization of the entire genre of literary epitaphioi logoi. Ultimately, this investigation sheds light on the central role of the precarious power politics of Athens and their domestic and foreign policy consequences.
Der Aufsatz befasst sich mit der Darstellung Neros und Domitians als Tyrannen bei Cassius Dio. Als grundlegend für die negative Schilderung der beiden erweist sich das Verfahren der ,Dekomposition‘: Am Beispiel von Neros Bewertung als Künstler und der Einschätzung Domitians als eines siegreichen und beliebten Autokraten zeigt sich, wie Cassius Dio ursprünglich positiv codierte Repräsentationselemente durch verschiedene rhetorische Mechanismen in negative verkehrt. Dabei wird durch den Vergleich mit Sueton und Tacitus deutlich, dass Cassius Dios literarische Inszenierung beider Kaiser stark durch die zeitgenössischen Umstände des frühen 3. Jahrhunderts bestimmt ist, auf die der Historiker, Schriftsteller und Politiker mit seiner kritischen Darstellung reagiert.
The book will appear in a new and revised English version at CHS with Harvard Press
Aus der Analyse der Frösche des Aristophanes (Kapitel 2) ist hervorgegangen, daß zumindest am Ende des fünften Jahrhunderts Dionysos als personifiziertes Symbol der Tragödie und der gesamten dramatischen Kunst gelten konnte. Für das damalige Publikum dürfte dies keine überwältigende Neuigkeit gewesen sein, sonst hätte der Dichter seine Handlung bestimmt nicht darauf aufgebaut. Denn die Agone wurden bekanntlich bereits seit Peisistratos im kultischen Rahmen des Dionysos Eleuthereus ausgerichtet. Aber auch in der Zeit davor waren Vorstufen des Theaters, vor allem Tanzrituale, die auf der auch als Orchestra dienenden Agora abgehalten wurden, in Athen an den älteren Dionysos Lenaios gebunden 1 .