2020: Mit der Corona-Krise in eine autoritär-individualistische Zukunft? Fünf Dimensionen gesellschaftlicher Transformation. In: blog.prif.org, 21.04.2020. (original) (raw)
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Die Anwesenheit eines Mannes hindert eine Frau daran, ihr Shopping-Potenzial ganz auszuschöpfen.« Diese bemerkenswerte Problematisierung, meine Damen und Herren, fand sich im Frühjahr 2014 auf einer Webseite der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), angelegt als Eigenwerbung für einen Beitrag in der NZZ am Sonntag, wo man die ganze Misere nachlesen kann. Der Titel dann dort: Sie will shoppen, er stört (Helg 2014). Kurzum: Männliche Präsenz blockiert weibliches Potenzial. Paradoxerweise ist es ein Satz Theodor W. Adornos, der sich am reibungslosesten sinn-und zweckentfremden ließe, fühlte man sich veranlasst, den männlichen Störenfried zu rügen: »Vernünftig«, so nämlich schreibt Adorno, sei »die Menschheit eingerichtet einzig, wofern sie die vergesellschafteten Subjekte ihrer ungefesselten Potentialität nach erhält« (Adorno 2003: 775). Dass Adorno mit seiner »ungefesselten Potentialität« so ziemlich das Gegenteil dessen im Blick gehabt haben dürfte, was uns im Blendbild der schier unerschöpflichen weiblichen Kauflust vorschwebt, bedarf hier keiner gesonderten Erörterung. Bei Georg Simmel hingegen bin ich mir nicht ganz so sicher, ob er, konfrontiert mit dem besagten Teaser in der NZZ am Sonntag, nicht eine gewisse Genugtuung empfände -eine Genugtuung darüber, dass seine anno 1911 formulierte Bestimmung dessen, was die »Weibliche Kultur« (Simmel 1996) ausmache, auch hundert Jahre später noch plus ou moins zuzutreffen scheint. In der gleichnamigen Schrift erörtert Simmel die Potentialitätsfrage hinsichtlich der »Bedeutung des Entwicklungsbegriffs für die ganze männlich-weibliche Kulturfrage« (Simmel 1996: 422). Vom männlichen Standpunkt her besehen, so schreibt er, möge Potentialität als »Unentwickeltheit von Endwerten« (Simmel 1996: 426) gelten und daher immer nur im Sinne einer »Anwartschaft auf eine andere, zukünftige Formung« (Simmel 199: 425) von Bedeutung sein. In der »weiblichen Psyche« (Simmel 1996: 426) hingegen sei Potentialität stets ein sinnvoll Gegebenes, eine Möglichkeit nämlich »im Sinne wesensbestimmender Wirklichkeit« (Simmel 1996: 427). Kein Wunder also -und ich spitze der Anschaulichkeit halber nochmals etwas zu -, dass es zu Reibungen kommt: Für einen Mann, in seiner Eigenschaft eines Shoppingmall-Muffels, birgt das Ausleben von Kauflust im Kaufhaus
Zeitschrift suburban, 2023
Angesichts des Erstarkens nichtdemokratischer Regierungsformen und politischer Kräfte mit explizit antiegalitären, autoritären Agenden in einer posthegemonialen Phase des Neoliberalismus formulieren einige Autor*innen das Konzept des „autoritären Neoliberalismus“. Der Sammelband Authoritarian neoliberalism. Philosophies, practices, contestations, 2020 herausgegeben von Ian Bruff und Cemal B. Tansel, verfolgt diesen Ansatz in verschiedenen Geographien und gesellschaftlichen Sphären. Dabei zeigen sich seine Stärken, aber auch blinde Flecke, insbesondere hinsichtlich des Verständnisses des autoritären Populismus.
Ansätze und Aussichten einer sozial-ökologischen Transformation: Was verändert die Corona-Krise?
2020
Multiple Krisen bedrohen die Reproduktionsfähigkeit von Umwelt und Gesellschaft. Ob sie in Form einer synergetischen Lösungsstrategie bewältigt werden, als konkurrierende Anliegen oder überhaupt nicht, ist ebenso unklar wie die Wechselwirkungen zur Corona-Krise. In letzter Zeit wird vermehrt vorgeschlagen, die Krisen mit Hilfe von New Deal-Politiken zu bearbeiten, die für umfassende politische Reformen mit sorgendem Anspruch stehen. Der europäische Grüne Deal und der Green New Deal etwa unterscheiden sich aber hinsichtlich der Rolle marktförmiger Steuerung und des Wirtschaftswachstums. Der Beitrag diskutiert das Potenzial solcher Ansätze und ihre Zustimmungsfähigkeit aus Sicht einer Bevölkerung, die sich unter dem Eindruck der Corona-Pandemie mit existenziellen sozioökonomischen Risiken konfrontiert sieht. Erste Umfragen zeigen, dass gleichwohl auch jetzt eine Mehrheit die umweltbezogene Reformnotwendigkeit sieht. Ausschlaggebend für dieses Bewusstsein scheint weniger der Wohlstand ...
Corona Monitor Blog, 2020
Der Beitrag versucht eine Einschätzung des Agierens rechter Akteure in der Corona-Krise, ausgehend von den fallenden Zustimmungswerten für rechte Parteien in weiten Teilen Europas. Es werden vier Thesen entwickelt, die zur weiteren Diskussion einladen sollen: erstens, dass die programmatische Ambivalenz rechter Parteien in der Corona-Krise von einem Faktor des Erfolgs zu einem Faktor des Abschwungs wird, zweitens dass die europäische Ebene derzeit keine Synergie-Effekte bietet, drittens, dass die heterogene Rechte deshalb einen neuen ideologischen Vereinheitlicher sucht, und viertens dass die Entwicklung und Stärke rechter Parteien nach der Corona-Krise nicht determiniert ist, sondern von der weiteren Entwicklung der Kräfteverhältnisse abhängig ist.
Corona und Gesellschaft. Soziale Kämpfe in der Pandemie, 2021
Corona und Gesellschaft Soziale Kämpfe in der Pandemie Wie können wir protestieren, wie uns austauschen und handlungsfähig bleiben, wenn ein Virus scheinbar alle eingespielten Alltage und lebenswichtige Prozesse zum Erliegen bringt? Klar ist: Kämpfen müssen wir weiterhin oder sogar mehr denn je. Abschiebungen finden weiterhin statt, Zwangsräumungen auch. Die einen verlieren ihre Jobs oder laufen durch Kurzarbeit auf Sparflamme, während die Kassen der Immobilienbesitzer*innen klingeln. Wie schnell Hilfseinrichtungen wie Obdachlosenunterkünfte und Suppenküchen auf der Prioritätenliste nach unten rutschen können, wenn sie zunächst ohne Ersatz schließen, wurde uns vor Augen geführt. Kurzum: Wer von der Corona-Politik geschützt wird, ist umkämpft. In diesem Buch wollen wir neben Beiträgen des Blogs Corona-Monitor neue Texte versammeln, die aus sozialwissenschaftlicher bzw. aktivistischer Perspektive politische und alltagspraktische Aspekte der Pandemie beleuchten. Die Autor*innen leisten einen Beitrag zur Einordnung der Corona-Politiken – und für die Suche nach linken Interventionen und solidarischen politischen Praxen in der Krise und für danach.