Artikel 'Christliche Ökonomik' (original) (raw)
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Wirtschaftsethik des Christentums
2009
Christliche Ethik nimmt zu vielen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen Stellung. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zählen ebenso zu den Diskussionsgegenständen wie Wettbewerb und Privateigentum. Über diesen Dingen steht die Auffassung, dass sich das Gelingen des Lebens nicht in der Ökonomie und an materiellen Gütern entscheidet, sondern an der Beziehung zu Gott und den Mitmenschen.
Vergötzung der Ökonomie in der Kirche? (2006)
A. Einleitung 1. Die Kirchen, die i.d.R. gemeinnützig und als K.d.ö.R. verfasst sind, gelten traditionell nicht als "Wirtschaftsunternehmen". Sie sind also nicht gewinnorientiert und sind daher eigentlich unverdächtig, dem Gott Mammon zu dienen. Wenn man in die Kirchengeschichte zurückblickt, fällt einem dazu ein, dass es früher relativ oft üblich war, sein Vermögen der Kirche zu vererben, so daß die Kirchen zu Land-und Immobilienbesitz und damit zu einem gewissen Reichtum kamen. Für die Kirchenbauten gab es immer wieder kleinere und größere Spendensammlungen. Besonders auffällig war der Ablaßhandel kurz vor der Reformation, der den Bau des Pertersdoms finanzieren sollte und der wegen seiner fragwürdigen Theologie einer der Auslöser der Reformation war. In der heutigen Zeit führt der Reichtum an Kirchenbauten allerdings auch eher dazu, dass viel Geld benötigt wird für die Instandhaltung der alten Gebäude. Im 20. Jahrhundert ging es den großen Kirchen durch das Kirchensteuersystem viele Jahre lang wirtschaftlich relativ gut, so dass man die Anzahl der Pfarrstellen in den 70er und 80er Jahren vergrößert hatte, um alle Gemeinden gut zu versorgen. Trotzdem gab es durch die Säkularisierung der Gesellschaft besonders in den 80er und 90er Jahren einen starken Mitgliederschwund durch sehr viele Kirchenaustritte und durch geringere Geburtenraten als früher. Dieser Mitgliederschwund führte zu stagnierenden oder teilweise sogar zurückgehenden Einnahmen in den Kirchen, und damit zu der seit über zehn Jahren andauernden Finanznot in den Kirchen, die sich zu einem massiven Stellenabbau "gezwungen" sahen. Während man vor 1990 im wesentlichen nur die theologischen Probleme des Gemeindeaufbaus diskutiert hatte, ist seitdem eine große Diskussion entstanden, wie man den Gemeindeaufbau und die Kirchenverwaltung effizienter gestalten könne, um mehr Geld zu sparen. Die verschiedensten Managementmethoden wurden diskutiert und ausprobiert, um die kirchlichen Haushalte zu sanieren. Die Ökonomisierung der Kirchen ist voll im Gange, aber sie ist bei den Kirchenvertretern auch ziemlich umstritten. Die Kirchenleitungen argumentieren, es bliebe ihnen nichts anderes übrig als zu sparen bei höheren Kosten und real sinkenden Einnahmen. Zugleich klagen viele Mitarbeiter, dass in (fast) allen Sitzungen nur noch darüber geredet werde, wie man noch mehr einsparen könne. Von einigen Theologen wird das ganze Programm pauschal verurteilt, weil der Glauben an Gott bzw. an Jesus eben nicht durch Management-Methoden vermittelbar sei. Man dürfe die Kirche daher nicht als "Unternehmen" 1 missverstehen, das "Kunden" eine "Dienstleistung" bringt. Glaube ließe sich nicht vermarkten wie ein Waschmittel, heißt es in dieser typischen Kritik weiter. Es gab aber nicht nur Kritik aus der konservativ-theologischen Ecke. Als im März 1997 in Hamburg ein Kongress zum Thema "Unternehmen Kirche" 2 veranstaltet wurde, kritisierte auch Uwe Birnstein in der Zeitschrift Junge Kirche (4/1997), dass der Kongress "das in Jahren mühsamer Aufklärung erreichte kritische Bewusstsein kapitalistischen Heilslehren gegenüber verwässert, sollte zumindest den Linken ein Dorn im Auge sein. Daß er die Gebote Gottes den Gesetzen des Marktes unterordnen könnte, sollte alle Christen beunruhigen." 1 Vgl. E. Gräb-Schmidt, Die Kirche ist kein Unternehmen!, in: Kirche in der Marktgesellschaft, hg. von J. Fetzer, Gütersloh 1999, 65-80. 2 Vgl. Wolfgang Nethöfel, Gebet und Controlling. Die Chancen des Unternehmens Kirche, in: Arnd Brummer u. Wolfgang Nethöfel (Hrsg.), Vom Klingelbeutel zum Profitcenter? Strategien und Modelle für das Unternehmen Kirche, Hamburg 1997, 15-24.
Theologische Wirtschaftsethik als Ideologiekritik
Evangelische Wirtschaftsethik - wohin?, 2018
0. Einstimmung: Eine Predigt zum Dekalog 1. Theologie als Ideologiekritik 2. Theologische Ethik als Ideologiekritik 3. Theologische Wirtschaftsethik als Ideologiekritik
International Journal of Practical Theology, 2003
It's the economy, stupid", lautet das Mantra der entzauberten, rationalisierten und kapitalisierten Weltgesellschaft. Dass Geld als die alles bestimmende Wirklichkeit gilt, 1 ist nicht mehr das Lamento einer irgendwie marxistisch irrlichternden Sekte, sondern mittlerweile die von aller Verwunderung freie Wahrnehmung des Bewohners reicher Industrienationen. Dass die Ökonomie mittlerweile in fast alle Falten des gesellschaftlichen Gewandes geschlüpft ist und dort ihr ausgreifendes und eigengesetzliches Leben führt, wird in den letzten Jahren mit Vehemenz, gleichwohl mit immer weniger Erstaunen thematisiert. Erstaunen erweckt allenfalls der von Seattle bis Porto Alegre sich profilierende und formierende Widerstand und Protest gegen die negativen Folgen der Globalisierung. 2
Gegenwärtige Ökonomien der Zeit aus Sicht der Religionswissenschaft
In: Wolfgang Kautek, Reinhard Neck, Heinrich Schmidinger (Hg.), Zeit in den Wissenschaften (Wissenschaft – Bildung – Politik 19) Wien: Böhlau , 2016
Religionen sind nach wie vor für unsere heutigen Zeitvorstellungen hoch bedeutsam. Sei es, dass sie als religiöse Tradition und Kulturbestand ihre Wirkung entfalten, sei es, dass bestimmte heutige religiöse Organisationen markante Beiträge einbringen. Dabei ist einerseits in der ausdifferenzierten Spezialisierung postindustrieller Gesellschaften auf den gesellschaftlichen Teilbereich Religion mit seinen Kirchen, Religionsgemeinschaften und pluralen Gruppierungen zu achten. Sie pflegen einen gewissen Zeitumgang, bewerten Zeit und entfalten von hier her ihre Wirkkraft in die Gesamtgesellschaft hinein. Andererseits ist zu untersuchen, welche religiösen Traditionen aus dem Teilsystem Religion in andere Teilbereiche der Gesellschaft ausgewandert sind (oder auch "einwandern"). Solche ehemals religiösen Praktiken und Anschauungen verändern sich in dem neuen Kontext und lassen sich ihre Herkunft oftmals nicht mehr anmerken. Diese Prozesse "vagabundierender Praktiken" prägen ebenfalls Vorstellungen von Zeit. Ausschnitte der apokalyptischen biblischen Erzählung zum Beispiel über das Ende der Zeit tauchen im Kulturbereich auf und werden als ästhetische Bilder in Film oder Theater umgesetzt. Es sind allgemeine ästhetische Figuren geworden, die häufig keine religiösen Implikationen mehr in sich tragen. Oder die Versenkung in die Gegenwart, wie sie in christlicher Gebetspraxis vorkommt, 1 wird attraktiver als ostasiatisch-religiöse Achtsamkeit und von Angestellten und gestressten Führungskräften geübt. Soll also die Bedeutung von Zeit aus Sicht der Religionswissenschaft eruiert werden, so ist über den Teilbereich Religion hinauszuschauen auf weitere Orte der Gesellschaft. In dieser Perspektive scheinen dann Ökonomien der Zeit auf.
Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 2015
; einer befasst sich mit Jürgen Habermas, der als Quasi-Theologe präsentiert wird, ein weiterer will aufzeigen, dass die Religionskritik der Aufklärung weiterhin aktuell ist, und schließlich folgt ein zusammenfassender Beitrag, der den Kritischen Rationalismus mit dem christlichen Glauben konfrontiert. Gegenüber dem Mittelalter und der beginnenden Neuzeit ist die Versuchsanordnung bei Hans Albert drastisch verändert: War es im theologischen Diskurs lange Zeit durchaus üblich, bei Konflikten zwischen (natur)wissenschaftlicher Erkenntnis und religiöser Überlieferung vom Gläubigen ein sacrificium mentis, ein Opfer des Verstandes, im Dienste des Glaubens einzufordern-so noch Gregorius de Valentia (1603: 1414)-, so legt Hans Albert in seinen oft apodiktischen Ausführungen der Leserschaft umgekehrt ein sacrificium fidei, eine Aufgabe des Glaubens nahe. Denn was ihm offenbar widerstrebt, ist die heute vorherrschende Koexistenz von Wissenschaft und christlichem Glauben, selbst die von Wissenschaft und Agnostizismus erscheint ihm unzureichend. Er bekennt für sich selbst und vermisst bei anderen, so etwa bei Habermas, einen "Atheismus pur", weil dies aus seiner Sicht wohl die einzig konsequente Art ist, mit den Defiziten der Theologie umzugehen. Das dem frühchristlichen Theologen Tertullian zugeschriebene Bekenntnis "credo quia absurdum" (ich glaube, weil es widersprüchlich ist) kehrt sich so um in die Empfehlung, den Widerspruch durch Aufgabe des Glaubens aufzuheben: "non credo quia absurdum" (weil es widersprüchlich ist, glaube ich nicht). Während der Glaube heute weniger auf die kognitive Erfassung der Welt ausgerichtet ist als früher 1 werden für viele Menschen ihre existenziellen Fragen, wie die Erfahrung von und der Umgang mit Gewalt, Leid, Schicksalsschlägen, Angst und Tod allein durch wissenschaftliche Erklärung von Ursachenzusammenhängen nicht beantwortet. Das Bedürfnis der * Prof. (em.
Wirtschaften, Wertlogik und die "Religion des Kapitals"
Jakob Tanner, Wirtschaften, Wertlogik und die „Religion des Kapitals“, in; Karl Braun, Claus-Marco Dieterich, Johannes Moser, Christian Schönholz (Hrsg.): Wirtschaften. Kulturwissenschaftliche Perspektiven.Marburg 2019, S. 91–108., 2019
Wirtschaften im Haus (oikos) ist eng mit dem Reich der Gewohnheiten verwoben und war in die Wiederholungsstrukturen traditionaler Gesellschaften eingebunden. Auch in diesen Routinen steckten vielfältige Veränderungsmomente, die eine „Dynamik der Tradition“ in Gang hielten. Ordnungsmuster und Wertbeziehungen haushaltsbasierter Wirtschaftsformen waren dadurch einem steten Wandel ausgesetzt. Mit dem Aufstieg des Kapitalismus setzte sich in der Moderne eine neue, allgemeine Wertlogik durch, welche nicht nur die Arbeitsprozesse in der kapitalistischen Fabrik, sondern in der ganzen Gesellschaft veränderte. Diese Form ökonomischer Dominanz und kultureller Hegemonie wurde verschiedentlich als „Religion des Kapitals“ (Paul Lafargue 1886/87) oder „Kapitalismus als Religion“ (Walter Benjamin 1921) umschrieben. Der Vortrag lotet diese Religionsthesen analytisch aus und bezieht sie auf Überlegungen zu einer Anthropologie der Arbeit. Veröffentlichung des Vortrags am 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde zum Thema „Wirt-schaften“, 22. September 2017 in Marburg a.L.