Ein Leben für den dialektischen Materialismus: Friedrich Engels zum 200. Geburtstag (original) (raw)
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200 Jahre Friedrich Engels - Argumente eines Kritikers
2021
Der Katalog zu unserer Ausstellung #EngelsArgumente. Mit einem Beitrag von Erhard Korn zum Leben des "jungen Engels", erstellt von Jörg Munder und Peter Schadt, unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt und dem ver.di Bezirk Stuttgart. Erwähnt und zitiert werden Beiträge, Kritik und Berichte über die Ausstellung von Kontext:Wochenzeitung, Beobachter-News und vielen weiteren, die sich unter dem Hashtag #EngelsArgumente geäußert haben.
Friedrich Engels und die Dialektik der Natur
Friedrich Engels und die Dialektik der Natur. "Daß die reine Mathematik eine von der besondern Erfahrung jedes einzelnen unabhängige Geltung hat, ist allerdings richtig und gilt von allen festgestellten Tatsachen aller Wissenschaften, ja von allen Tatsachen überhaupt. Die magnetischen Pole, die Zusammensetzung des Wassers aus Wasserstoff und Sauerstoff, die Tatsache, daß Hegel tot ist und Herr Dühring lebt, gelten unabhängig von meiner oder andrer einzelnen Leute Erfahrung, selbst unabhängig von der des Herrn Dühring, sobald er den Schlaf des Gerechten schläft. Keineswegs aber befaßt sich in der reinen |36| Mathematik der Verstand bloß mit seinen eignen Schöpfungen und Imaginationen. Die Begriffe von Zahl und Figur sind nirgends anders hergenommen, als aus der wirklichen Welt. Die zehn Finger, an denen die Menschen zählen, also die erste arithmetische Operation vollziehn gelernt haben, sind alles andre, nur nicht eine freie Schöpfung des Verstandes. Zum Zählen gehören nicht nur zählbare Gegenstände, sondern auch schon die Fähigkeit, bei Betrachtung dieser Gegenstände von allen ihren übrigen Eigenschaften abzusehn außer ihrer Zahl-und diese Fähigkeit ist das Ergebnis einer langen geschichtlichen, erfahrungsmäßigen Entwicklung. Wie der Begriff Zahl, so ist der Begriff Figur ausschließlich der Außenwelt entlehnt, nicht im Kopf aus dem reinen Denken entsprungen. Es mußte Dinge geben, die Gestalt hatten und deren Gestalten man verglich, ehe man auf den Begriff Figur kommen konnte. Die reine Mathematik hat zum Gegenstand die Raumformen und Quantitätsverhältnisse der wirklichen Welt, also einen sehr realen Stoff. Daß dieser Stoff in einer höchst abstrakten Form erscheint, kann seinen Ursprung aus der Außenwelt nur oberflächlich verdecken. Um diese Formen und Verhältnisse in ihrer Reinheit untersuchen zu können, muß man sie aber vollständig von ihrem Inhalt trennen, diesen als gleichgültig beiseite setzen; so erhält man die Punkte ohne Dimensionen, die Linien ohne Dicke und Breite, die a und b und x und y, die Konstanten und die Variablen, und kommt dann ganz zuletzt erst auf die eignen freien Schöpfungen und Imaginationen des Verstandes, nämlich die imaginären Größen. Auch die scheinbare
Zur Aktualität eines Totgesagten. Karl Marx zum 200. Geburtstag.
1 "Tout ce que je sais, c'est que je ne suis pas Marxiste." (Karl Marx 1 ) Kein Gespenst ging 1989 um in Europa, sondern ein Aufatmen: Man vermeldete das Ableben des real existierenden Sozialismus, dem man als Beigabe das OEuvre Marxens gleich mit ins Grab legte, denn war Marx nicht mit dem sozialistischen Régime gestorben? Das Gespenst, das 1848 den alten Mächten Schrecken einjagte, stand nun für eine totalitäre Vergangenheit, die vor allem die Täter und Mitläufer von einst verfolgte und nicht selten auch einholte. Der Sozialismus ist tot, Marx ist tot, der Kapitalismus ist nun ‚alternativlos', die Geschichte gelangt an ihr Ende 2 . Die verständliche Freude über das Ende einer Diktatur mischte sich trübe mit dem Wunsch, nun auch aller Zweifel an der Deutungshoheit ‚neoliberaler' Theorien 3 , die schon seit Ende der siebziger Jahre die Wirtschaftswissenschaften ebenso wie die Politik bestimmten, ledig zu sein. Der Markt produziert unter den Vorzeichen von Konkurrenz und Profitinteresse 1 Friedrich Engels zitiert diese Äußerung Marxens in einem Brief an Conrad Schmidt vom 5. August 1890 (MEW 37, 436). Aus den Werken von Karl Marx und Friedrich Engels wird im fortlaufenden Text unter den jeweiligen Siglen mit (Abteilungs-,) Band-und Seitenzahl zitiert: Historisch-kritische Gesamtausgabe, im Auftrage des Marx-Engels-Instituts Moskau hrsg. von David Rjazanov, Berlin 1927-1935 (abgek.: MEGA 1 ); Gesamtausgabe (abgek.: MEGA 2 ), hrsg. vom Institut für Marxismus / Leninismus beim ZK der KPdSU und beim ZK der SED; ab 1990 hrsg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung, Berlin 1975ff; Werke, hrsg. vom Institut für Marxismus/Leninismus beim ZK der KPdSU und beim ZK der SED, dem Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, 44 Bände, Berlin 1955-1999 (abgek.: MEW); zitiert wird im fortlaufenden Text. 2 Die Gespenster-Metapher griff Jacques Derrida auf und versuchte, sie für eine Re-Interpretation der Marxschen Theorie fruchtbar zu machen; vgl. ders., Marx' Gespenster. Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale. Übersetzt von Susanne Lüdemann, Frankfurt/M. 5 2016; kritisch dazu Moishe Postone, Dekonstruktion als Gesellschaftskritik. Derrida über Marx und die neue Weltordnung, in: Krisis 21/22, Bad Honnef 1998, 115ff; auch im Netz unter http://www.krisis.org/1998/dekonstruktion-alsgesellschaftskritik/#1 (letzter Zugriff: 8. Juni 2018). 3
Arbeiten am Widerspruch , 2020
Friedrich Engels gilt vielen heute als derjenige, der durch eine positivistisch verkürzte Interpretation der dialektischen Methode zur Verflachung des Marxschen Gedankenguts beigetragen hat. Auch wenn er einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbreitung des Marxismus geleistet habe, so sei er dafür mitverantwortlich, dass die Gedanken, die Marx zum Beispiel in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 entfaltet habe, ihres ursprünglichen Humanismus entkleidet und in Richtung einer ökonomistisch-deterministischen Lehre verzerrt worden seien. Zu gerne wird die mechanische Denkweise des populären Marxismus seinem Einfluss zugeschrieben. Engels wird Marx gegenüber nicht als gleichwertiger Denker wahrgenommen, sondern ihm wird die Rolle eines Mäzenen und Interpreten zugewiesen, der trotz aller guten Absichten das Marxsche Oeuvre in seiner vollen Tiefe nie wirklichen verstanden und die Lücken mit Bruchstücken seines eigenen Denkens gefüllt habe (Levine 1973, Thompson 1980, 116f). Tatsächlich wird eine solche Sichtweise der wahren Beziehung von Marx und Engels kaum gerecht. An entscheidenden Punkten war es nicht Engels, der Marx folgte, sondern ersterer war derjenige, der den Anstoß gab und die Initiative ergriff. Seine Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (Engels 1962) zeigt, dass er das englische Wirtschaftssystem und dessen tatsächliche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Werktätigen sehr gut einzuschätzen wusste. Auch war es Engels, der 1843/44 Marx dazu ermunterte, sich dem Studium der ökonomischen Theorie zuzuwenden. Sein von Marx in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern veröffentlichter Essay „Umrisse zur Kritik der Nationalökonomie“ (Engels 1972b) markierte den Ausgangspunkt des Forschungsprozesses, der richtungsweisend für Marx‘ weitere Arbeiten werden sollte. Ohne Engels’ aktive Einflussnahme hätte Marx die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte, die Marx tatsächlich erst nach Engels‘ „Umrissen“ verfasste, nie schreiben können. Im Vorwort von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ erinnerte letzterer noch 15 Jahre nach der Veröffentlichung an die Bedeutung des Ideenaustauschs, die dieser „genialen Skizze zur Kritik der ökonomischen Kategorien“ (Marx 1974, S. 10) entsprang. Engels kannte nicht nur die wirtschaftliche Praxis weit besser als Marx. Insbesondere die letztgenannte Schrift enthält auch einige kluge und weitreichende Gedanken, die er leider in späteren Jahren nicht weiterverfolgte,.
200 Jahre und kein Ende? Einleitung (zus. mit Helge Jarecki)
Helge Jarecki, John Palatini (eds.): Graben, Sammeln, Publizieren. 200 Jahre Thüringisch-Sächsischer Altertumsverein, 2022
Erinnerung kann nicht konserviert werden, sondern muss immer wieder neu erarbeitet und neu definiert werden. Die Diskussion um die gesellschaftliche Selbstvergewisserung ist auf Fakten und Debatten aus der Geschichtswissenschaft angewiesen. Dabei spielen-auch mit Blick auf die aktuellen politischen Diskurse-die Fragen nach Herkunft, nach Identität sowie nach Kontinuität und Wandel eine wichtige Rolle: Wer sind wir? Diese Frage beschäftigte auch all jene Personen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders im Ergebnis der Napoleonischen Kriege (einer Umbruchszeit), Geschichts-und Altertumsvereine gründeten. Die universitäre Geschichtsforschung steckte seinerzeit noch in den Anfängen. So wurde die Erkundung der "vaterländischen Geschichte" zunächst-um es in modernen Worten zu formulieren-auf der Basis von bürgerschaftlichem Engagement initiiert und vorangetrieben. Der Thüringisch-Sächsische Altertumsverein (ThSAV) 1 ist einer der ältesten Geschichtsvereine Deutschlands. 2 Sein Agieren war Anregung und Vorbild für die Gründung weiterer Sozietäten. 3 Insofern versteht sich diese Veröffentlichung
Marx wird 200 – Feminismus und Marxismus
2018
Seit einigen Jahren ist die Rede von einer „Marx-Renaissance“, die zunächst überrascht. An den Universitäten werden Lektüreseminare angeboten und das Feuilleton widmet sich in regelmäßigen Abständen seinem Leben und Werk. So titelte „Die Zeit“ im Januar 2017 „Er ist wieder da“ und die „Süddeutsche Zeitung“ erstellte im Juli 2017 eine Beilage, die sich anlässlich des 150. Jahrestages des Erscheinens von „Das Kapital“ mit dessen Grundzügen auseinandersetzte. 1
Ein Bild von einem Mann. Karl Marx in biografischen Publikationen zum 200. Geburtstag
Neue Politische Literatur
Open-access-Publikation: Neue Politische Literatur 2021 (online) Der Beitrag untersucht den Niederschlag, den das Historisierungs-Paradigma in neueren biografischen Publikationen gefunden hat, die im Umfeld des 200. Geburtstags von Karl Marx erschienen sind. Dabei wird gefragt, welche neuen Perspektiven sich auf die Biografie ergeben. Den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden vor allem die großen Biografien von Gareth Stedman Jones und Jürgen Neffe, die Marx als eine ‚unvollendete‘ Gelehrten- und Politikerpersönlichkeit des 19. Jahrhunderts präsentieren. Anschließend werden über das Biografische hinausgehende Publikationen daraufhin befragt, inwiefern das Historisierungs-Paradigma (über das Biografische hinaus) den Blick auf Marx verändert. Zusammengefasst wird argumentiert, dass die Einzelelemente der jüngeren Studien nicht alle grundstürzend neu sind, aber in der Konzentration auf eine Revision früherer Marx-Bilder durchaus den Beginn einer neuen Auseinandersetzung mit dem berühmten ‚Klassiker‘ einleiten könnten.
Materialistische Dialektik als begrenzte Dialektik. Zur immanenten Kritik des Empirischen bei Marx
Materialistische Dialektik bei Marx und über Marx hinaus, 2017
Der Beitrag knüpft an denjenigen Ansätzen, die die Diskontinuität zwischen Hegelscher und Marxscher Dialektik im Unterschied zwischen absolutem und endlichem Wissen suchen. Auf dieser Grundlage werden die spezifischen Eigenschaften festgestellt, die die Marxschen dialektischen Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise aufweisen muss, damit sie als materialistisch bezeichnet werden kann: 1. Die dialektische Entwicklung des Kapitalbegriffs muss vollständig auf einer logischen Ebene stattfinden; 2. Die Entwicklung darf nicht im Logischen, und mithin nicht in sich selbst abgeschlossen sein. Diese Eigenschaften stellen jeweils zwei Grenzen des Dialektischen in Marx’ Methode dar. Letztlich wird ein positives Lektüreprinzip vorgeschlagen, das es ermöglicht, die dialektische Entwicklung des Kapitalbegriffs so zu fassen, dass sie den beiden formulierten Anforderungen entspricht: die dialektische Entwicklung als aposteriorische Rekonstruktion der Voraussetzungen des Gegebenen.