Ein Bild von einem Mann. Karl Marx in biografischen Publikationen zum 200. Geburtstag (original) (raw)

Zur Aktualität eines Totgesagten. Karl Marx zum 200. Geburtstag.

1 "Tout ce que je sais, c'est que je ne suis pas Marxiste." (Karl Marx 1 ) Kein Gespenst ging 1989 um in Europa, sondern ein Aufatmen: Man vermeldete das Ableben des real existierenden Sozialismus, dem man als Beigabe das OEuvre Marxens gleich mit ins Grab legte, denn war Marx nicht mit dem sozialistischen Régime gestorben? Das Gespenst, das 1848 den alten Mächten Schrecken einjagte, stand nun für eine totalitäre Vergangenheit, die vor allem die Täter und Mitläufer von einst verfolgte und nicht selten auch einholte. Der Sozialismus ist tot, Marx ist tot, der Kapitalismus ist nun ‚alternativlos', die Geschichte gelangt an ihr Ende 2 . Die verständliche Freude über das Ende einer Diktatur mischte sich trübe mit dem Wunsch, nun auch aller Zweifel an der Deutungshoheit ‚neoliberaler' Theorien 3 , die schon seit Ende der siebziger Jahre die Wirtschaftswissenschaften ebenso wie die Politik bestimmten, ledig zu sein. Der Markt produziert unter den Vorzeichen von Konkurrenz und Profitinteresse 1 Friedrich Engels zitiert diese Äußerung Marxens in einem Brief an Conrad Schmidt vom 5. August 1890 (MEW 37, 436). Aus den Werken von Karl Marx und Friedrich Engels wird im fortlaufenden Text unter den jeweiligen Siglen mit (Abteilungs-,) Band-und Seitenzahl zitiert: Historisch-kritische Gesamtausgabe, im Auftrage des Marx-Engels-Instituts Moskau hrsg. von David Rjazanov, Berlin 1927-1935 (abgek.: MEGA 1 ); Gesamtausgabe (abgek.: MEGA 2 ), hrsg. vom Institut für Marxismus / Leninismus beim ZK der KPdSU und beim ZK der SED; ab 1990 hrsg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung, Berlin 1975ff; Werke, hrsg. vom Institut für Marxismus/Leninismus beim ZK der KPdSU und beim ZK der SED, dem Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, 44 Bände, Berlin 1955-1999 (abgek.: MEW); zitiert wird im fortlaufenden Text. 2 Die Gespenster-Metapher griff Jacques Derrida auf und versuchte, sie für eine Re-Interpretation der Marxschen Theorie fruchtbar zu machen; vgl. ders., Marx' Gespenster. Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale. Übersetzt von Susanne Lüdemann, Frankfurt/M. 5 2016; kritisch dazu Moishe Postone, Dekonstruktion als Gesellschaftskritik. Derrida über Marx und die neue Weltordnung, in: Krisis 21/22, Bad Honnef 1998, 115ff; auch im Netz unter http://www.krisis.org/1998/dekonstruktion-alsgesellschaftskritik/#1 (letzter Zugriff: 8. Juni 2018). 3

Marx wird 200 – Feminismus und Marxismus

2018

Seit einigen Jahren ist die Rede von einer „Marx-Renaissance“, die zunächst überrascht. An den Universitäten werden Lektüreseminare angeboten und das Feuilleton widmet sich in regelmäßigen Abständen seinem Leben und Werk. So titelte „Die Zeit“ im Januar 2017 „Er ist wieder da“ und die „Süddeutsche Zeitung“ erstellte im Juli 2017 eine Beilage, die sich anlässlich des 150. Jahrestages des Erscheinens von „Das Kapital“ mit dessen Grundzügen auseinandersetzte. 1

IFB-Rezension Karl Marx : 1818 - 1883 ; Leben. Werk. Zeit ; Trier 05.05. - 21.10.2018, Große Landesausstellung, Rheinisches Landesmuseum Trier, Stadtmuseum Simeonstift Trier / Beatrix Bouvier ; Rainer Auts (Hg.).

AUSSTELLUNGSKATALOG 18-3 Karl Marx : 1818 -1883 ; Leben. Werk. Zeit ; Trier 05.05. -21.10.2018, Große Landesausstellung, Rheinisches Landesmuseum Trier, Stadtmuseum Simeonstift Trier / Beatrix Bouvier ; Rainer Auts (Hg.). -[Darmstadt] : Theiss, 2018. -384 S. : Ill. ; 29 cm. -ISBN 978-3-8062-3702-3 : EUR 39.95 [#5940] Mit diesem Katalog liegt sozusagen die offziöse Marxinterpretation zum Jahr 2018 1 vor, wird doch dieser Band zur Großen Landesausstellung in Trier nicht nur von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin, sondern auch noch vom Bundespräsidenten (Schirmherr) begrußwortet, um nur die bekanntesten Sozialdemokraten zu nennen, die sich dazu in ein Verhältnis setzen müssen, daß Marx irgendwie auch Teil ihrer Geschichte war. Das soll hier aber nicht weiter interessieren. Wichtiger ist es, einen Überblick zu geben über das, was der geneigte Leser oder Blätterer in diesem Katalog findet, wenn er das Werk zur Hand nimmt bzw. eher auf dem Tisch aufschlägt. Der Band 2 gliedert sich in zahlreiche Essays, die sich abwechseln mit über den Band verstreuten Städteporträts, von denen manche allerdings nur eine sehr marginale Rolle im Leben von Marx spielten, so etwa Algier, das wohl nur der Vollständigkeit halber aufgenommen wurde, oder Karlsbad, zu dem 1 Einige weitere aus Anlaß des Jubiläums erschiene Titel sind: Marx : der Unvollendete / Jürgen Neffe. -1. Aufl. -München : Bertelsmann, 2017. -655, [32] S. : Ill. ; 24 cm. -ISBN 978-3-570-10273-2 : EUR 28.00 [#5563]. -Rez.: IFB 18-1 http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=8827 -Marx von rechts / Benedikt Kaiser, Alain de Benoist und Diego Fusaro. -Dresden : Jungeuropa-Verlag, 2018. -ISBN 978-3-9817828-6-8 : EUR 22.00. -Karl Marx zur Einführung / Christian Schmidt. -Hamburg : Junius, 2018. -264 S. ; 17 cm. -(Zur Einführung). -ISBN 978-3-88506-806-8 : EUR 15.90 [#5964]. -Eine Rezension in IFB ist vorgesehen. -Marx und Engels : Porträt einer intellektuellen Freundschaft / Jürgen Herres. -Ditzingen : Reclam, 2018. -314 S. ; 22 cm. -ISBN 978-3-15-011151-2 : EUR 28.00 [#5851]. -Rez.: IFB 18-2 http://informationsmittel-fuerbibliotheken.de/showfile.php?id=9009 -Die Freiheit des Karl Marx : ein Aufklärer im bürgerlichen Zeitalter / Urs Marti-Brander. -1. Aufl. -Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 2018. -379 S. ; 22 cm. -ISBN 978-3-498-04538-8 : EUR 24.00.

Ein Leben für den dialektischen Materialismus: Friedrich Engels zum 200. Geburtstag

Materialien und Informationen zur Zeit, 2020

Erschienen in: MIZ Materialien und Informationen zur Zeit. Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistINNEN (3/20) Friedrich Engels ist an der Seite von Karl Marx bekannt geworden als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, Autor des Manifestes der kommunistischen Partei und Vordenker der internationalen und deutschen Sozialdemokratie. Er war wohl ein fröhlicher Mensch, der von sich frei heraus mit Sokrates bekannte, alles leider nur halb zu wissen, dessen Vorstellung vom Glück sich durchaus mit einer Flasche Wein Château Margaux (Jahrgang 1848) verband und der die Heuchelei ebenso hasste wie Baptistenpastoren, insbesondere wenn sie die eifernde Penetranz eines Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) besaßen. Dies alles schrieb Engels zumindest 1868 in das Poesiealbum (Confession Book) von Marxens Tochter Jenny. Engels liebte, so ist darin weiter zu erfahren, neben der Dichtung des Reineke Fuchs auch Shakespeare, Lessing, Goethe und blaue Glockenblumen. Zu ergänzen wären vor allem seine beiden Frauen Mary und Elizabeth Burns, die aus einfachen irischen Verhältnissen stammten und mit denen er eine freie und unorthodoxe Lebensgemeinschaft führte.

Das Bild der Juden bei Karl Marx

Der Führer der deutschen Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert August Bebel hat einmal geäußert, Antisemitismus sei ein "Sozialismus der dummen Kerle", womit er pointiert die dem Antisemitismus zugrunde liegende Sozialdemagogie beschrieb. Von Linken jedweder Couleur wurde und wird bis heute heftig bestritten, auch nur ansatzweise selbst antisemitisch zu sein. Antisemitismus wird immer nur im Lager der politischen Gegner verortet, als Element ihrer Taktik der Herrschaftsausübung durch Spaltung der Gesellschaft, sowie durch Ablenkung der "berechtigten Wut" der Massen von den Herrschenden bürgerlichen Regierungen und dem allmächtigen Großkapital auf einen Sündenbock, nämlich die Juden. So weit, grob skizziert, das Selbstverständnis der Linken, das jedoch viele von ihnen nicht davon abhielt und weiterhin abhält, in der Bewertung der Juden innerhalb ihrer Gesellschaften oder des Staates Israel in klassische antisemitische Stereotype abzugleiten. Allen in diese Problematik mehr oder weniger Eingeweihten ist die Streitschrift "Zur Judenfrage" 1 von Karl Marx zumindest vom Titel her bekannt. Sie wird je nach Standpunkt des Betrachters unterschiedlich bewertet. Den Gegnern von Marx gilt sie als Beleg für seinen vom jüdischen Selbsthass diktierten Widerwillen gegen alles "Jüdische", der in den von Antisemiten bis hin zu Nazis gern zitierten markigen Sprüchen gipfele, etwa: "Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unsrer Zeit. Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht. Der Jude hat sich auf jüdische Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christli-1 Karl Marx, Friedrich Engels -Werke, Band 1, S. 347 -377; Dietz Verlag, Berlin/DDR 1976 1 chen Völker geworden ist. Die Juden haben sich insoweit emanzipiert, als die Christen zu Juden geworden sind. Welches war an und für sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das praktische Bedürfnis, der Egoismus. Was in der jüdischen Religion abstrakt liegt, die Verachtung der Theorie, der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck, das ist der wirkliche bewusste Standpunkt, die Tugend des Geldmenschen. Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum."

Karl Marx Leben Werk und kritische Würdigung

Akademie Zeitschrift für Führungskräfte in Verwaltung und Wirtschaft , 2012

Vor einiger Zeit versuchte eine Studie zu ermitteln, welche Forscher, Manager und Denker das wirtschaftliche Handeln nachhaltig beeinflusst haben. Unter den Wirtschaftstheoretikern schnitt Karl Marx (Rang 5), weit vor Adam Smith (12), John Maynard Keynes (18), Milton Friedman (19) oder Joseph A. Schumpeter (30) am besten ab (vgl. Scholtissek, 2004, S. 178) lm Folgenden werden Marx' Leben und Werk kurz skizziert Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung. Some time ago, a study set out to determine which researchers, managers, and thinkers have had a lasting influence on economic practices. Among economic theorists, Karl Marx ranked notably high, securing 5th place—far ahead of Adam Smith (12th), John Maynard Keynes (18th), Milton Friedman (19th), and Joseph A. Schumpeter (30th) (cf. Scholtissek, 2004, p. 178). The following provides a concise overview of Marx's life and work, concluding with a critical evaluation.

Franz Marek - Ein europäischer Marxist. Die Biografie

Mandelbaum Verlag, 2019

Geboren in Galizien und aufgewachsen im »Roten Wien« der Zwischenkriegszeit, erfolgte Franz Mareks Politisierung vom Zionismus zum Marxismus. Der österreichische BürgerIn­nenkrieg im Februar 1934 machte ihn zum Kommunisten. Er war führend im Widerstand gegen die Dollfuß-Schusch­nigg­-Diktatur und in der französischen Résistance tätig. Nur knapp entging er dem Tod in den Fängen der Gestapo. Als »glühender Stalinist« kehrte er 1945 nach Österreich zurück und kämpfte mit der KPÖ für den Sieg des Sozialismus. Chru­schtschows Geheimrede 1956, die Verfasstheit seiner eigenen Partei und der kommunistischen Weltbewegung lösten einen Umdenkprozess aus. Zunehmend war Marek maßgeblich vom Denken Antonio Gramscis und den Ideen der italienischen KP beeinflusst. Er wandelte sich zum Kritiker der Sowjetunion und zum Reformkommunisten von europäischem Format. Er war mit Rudi Dutschke bekannt, Eric Hobsbawm nannte ihn in einem Interview »seinen Helden«. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 brach er mit der KPÖ. Fortan wirkte Marek bis zu seinem Tod 1979 als Chefredakteur des »Wiener Tagebuchs« und entwickelte es zu einem Kristallisationspunkt der unabhängigen Linken, von der er als wichtiger europäi­scher Marxist wahrgenommen wurde.

Einführung in Karl Marx: »Peuchet: vom Selbstmord«

Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie 4, 2018

Unter dem Titel »Peuchet: vom Selbstmord« veröffentlicht der 28-jährige Karl Marx 1846 aus dem belgischen Exil heraus im Eberfelder Gesellschaftsspiegel einen Text, der genuin nicht von ihm stammt, sondern vom Pariser Polizeiarchivar Jacques Peuchet, exzerpiert aus dessen mehrbändigen Erinnerungen aus dem Polizeiarchiv von 1838. Marx entscheidet sich in seiner Auswahl für ein Kapitel daraus, das er vom Französischen ins Deutsche übersetzt. Es trägt den Titel »Vom Selbstmord und seinen Ursachen« und wird von Marx nicht nur übersetzt, sondern kommentiert, umformuliert, in Teilen in seiner Bedeutung verschoben und um eine eigene, knapp zweiseitige Einleitung ergänzt. Peuchet und Marx beschäftigen sich in dieser Arbeit mit den Selbstmorden von Frauen und verbinden sie mit der Unterdrückung von Frauen in der bürgerlichen Familie in Frankreich in der Zeit nach der Französischen Revolution. Im Gesamtwerk von Marx stellt die Arbeit eine seiner expliziteren Beschäftigungen mit der Geschlechterfrage dar. Der Text erscheint 1999 in neuer englischer Übersetzung in einem von Eric A. Plaut und Kevin Anderson herausgegebenen Band unter dem Titel Marx on Suicide, der neben Einleitungen der Herausgeber auch ein Vorwort von Michael Löwy enthält.¹ Der vorliegende Wiederabdruck eines Ausschnitts ist der deutschen Ausgabe von 2001 entnommen, in der auch das französischsprachige Original von Peuchet abgedruckt ist.² Der von Marx erweiterte Text ist nach der Veröffentlichung im Gesellschaftsspiegel zu seinen Lebzeiten nicht mehr erschienen. Erst 1932 wird er in Band I.3 der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) in deutscher Sprache wieder abgedruckt. In der Marx-Engels-Werkausgabe (MEW) der Deutschen Demokratischen Republik fehlt er. Im Rahmen der Arbeit an der zweiten MEGA ist er bisher nicht veröffent