2021 Utopie (Kritiknetz) (original) (raw)
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Utopie macht Geschichte. Ein Rückblick in die Zukunft [de]
Voltaire. Magazin für instabile Verhältnisse. Issue 1 (2012), 2012
Wird es bald noch schlimmer, hässlicher und trostloser? Werden immer nur die Alpträume Wirklichkeit? Können wir uns etwas besseres als das Vorhandene überhaupt noch vorstellen? Um es kurz zu machen, die Antworten lauten: schon möglich; nein; ja. Freilich kann das ein jeder behaupten, daher muss ich das etwas gründlicher ausführen. Dabei werde ich mich auf intellektuell gefährliches Terrain begeben, nämlich in den Bereich der Zukunft und der sie betreffenden Wünsche. Allzu leicht fällt man hier in die Gruben des spekulativen Unsinns, denn anders als bei Wanderungen im Raum, bei denen unser Gesicht praktischerweise in die Richtung der Bewegung blickt und so eine gewissen Orientierung, mithin ein Vermeiden gefährlicher Untiefen erlaubt, ist unser Gesicht bei Wanderungen in der Zeit stets auf das gerichtet, von wo wir herkamen -weshalb jeder nächste Schritt ins Unbekannte gewagt werden muss. Die Vergangenheit liegt einigermaßen klar und übersichtlich vor uns, doch wir eilen rückwärts und so gut wie blind in die Zukunft. Was wir dort antreffen werden, können wir jetzt noch gar nicht wissen. Als besonders hellsichtige Wahrsager gelten daher üblicherweise gerade die, deren Prognosen so unscharf und widersprüchlich formuliert sind, dass man sie auf nahezu jede Zukunft anwenden kann (was sie streng genommen völlig nutzlos macht, abgesehen vom Placebo-Effekt und dem Verkaufswert an Leichtgläubige). Der berühmteste solche Seher ist Nostradamus, und der kann uns bei der Beantwortung der Fragen nicht helfen. Zugegeben: Manchmal schreibt einer was, das dann später tatsächlich passiert. Jules Vernes Reisen um die Erde und zum Mond, Herbert George Wells' futuristische Technikstädte und der Luftkrieg, Karel Čapeks Roboter und die Atombombe: sie alle wurden erst phantasiert und später Wirklichkeit. Es ist aber kein Verlass darauf, dass die Science Fiction (dieser oder anderer Autoren) realisiert wird -weder sind wir bisher zum Mittelpunkt der Erde noch ins Jahr 802701 gereist, und schon gar nicht überschwemmen faschistische Nordmolche die Welt. Bis jetzt jedenfalls. Prophezeiungen vermögen bestenfalls Auskunft über den Geisteszustand ihrer Anhänger zu geben und auch Science Fiction behandelt nicht die Zukunft, sondern erlaubt bestenfalls einen besonders scharfen Blick auf die Gegenwart. Welches Hilfsmittel erlaubt es mir dann, die anfangs gestellten Fragen zu beantworten?
Utopie und Hoffnung II (FS 2018)
Die Legende von der Büchse von Pandora sollte bekannt sein: Nachdem Pandora, die erste Frau, gegen Zeus' explizites Gebot die Büchse, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hat, öffnete, sind aus ihr alle Laster und Untugenden entwichen, worauf hin das Schlechte die Welt eroberte. Bevor auch die Hoffnung entfliehen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen und die Hoffnung wurde in die Büchse weiter enthalten. Die Lektüren der Legende könnten gegen einander nicht diametraler konkurrieren: War es, die Hoffnung für den Menschen zugänglich zu machen oder vielmehr die Hoffnung vom Menschen zu halten? Ist die Hoffnung infolgedessen als gut zu betrachten, als Trost in Zeiten von Elend und als Reiz, um Tätigkeit zu erregen, oder als böse, d.h. als leere Hoffnung, in der es untätig geschwelgt wird? Sicherlich hat sich das Schlagwort " Hope " für Jeremy Corbyn bei der letzten Unterhauswahl im Vereinigten Königreich als immens hilfreich erwiesen, einen unvorstellbaren Wechsel in der britischen Politik zu erreichen. Zugleich ist Hoffnung dadurch als politisch-philosophischer Begriff wieder ins Leben gerufen worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Utopie. Vom Griechischen οὐ-τόπος abgeleitet und auf einen Ort hinweisend, den es (noch) nicht gibt, wird mit dem Begriff der Utopie, den 1516 der englische Staatsmann
Andere Zukünfte: Politik der Utopien
PROKLA 141, 2005
Other Futures: Politics of Utopias. Famous utopias as well as the 20th century dystopias and contemporary science fiction designs are reviewed. The social background of these conceptions as well as the ideas of society and the use and meaning of technology incorporated in these utopias are discussed.
Degrowth. Handbuch für eine neue Ära, 2016
Utopie, wie das Wort selbst sagt, ist in ihrem ursprünglichen historischen Sinne eine Art Perspektive aus dem Nirgendwo, die einen scharfen und kriti-schen Blick auf die geltenden Verhältnisse der Gesellschaft ermöglicht (vgl. der erste große Utopiedenker Thomas Morus). So verstanden ist eine Utopie zunächst weder eine Zukunftsvision noch ein politisches Programm, sondern ein Nichtort intellektuellen Widerstands, in dem alternative Interpretationen der Gegebenheiten entwickelt werden. Erst später, unter Einfluss der christli-chen Tradition der Apokalypse, verlagerte sich das Nirgendwo des utopischen Blickes in die Zeit, sodass aus dem Nirgendwo ein »noch nicht«, eine in die Zukunft gerichtete Vision wurde, in der die Widersprüche und Konflikte der Gegenwart aufgelöst werden. Deswegen ist die Utopie auch wegen ihrer tota-litären Gefahr kritisiert worden: Demnach stellt sie sich als die alleinige per-fekte alternative Welt dar, in der keine weitere Kritik oder andere Optionen toleriert werden. Was ihre Form angeht, sind Utopien traditionell Erzählungen einer alterna-tiven idealen Gesellschaft, die an einem anderen Ort existieren soll, oder sich in einer anderen Zeit manifestieren wird. Inhaltlich beschreiben sie oft eine gute, bessere Welt und unterscheiden sich somit von den so genannten Dysto-pien, die düstere und negative Entwicklungen ausmalen. Utopien können unterschiedliche Funktionen haben: Zum einen liefern Utopien gemeinsam mit den Dystopien eine radikale Kritik der geltenden Ver-hältnisse einer Gesellschaft. Durch den Blick aus dem räumlichen oder zeitli-chen Nirgendwo können alterprobte Interpretationen der Realität und Selbst-verständlichkeiten suspendiert und hinterfragt werden. Darüber hinaus kann Utopie auch die einfache Funktion des Trostspenders haben – durch ihre alternative Vision dient sie als Kompensation für gegenwärtige Leiden, Ausbeu-tung und Unterdrückung. Insbesondere in ihrer religiös gefärbten Variante macht es das Narrativ der Erlösung möglich, unerträgliche Verhältnisse auszu-halten. Gerade diese Funktion der Utopie ist stark in die Kritik geraten, denn so kann Utopie im Widerspruch zur Veränderung gesellschaftlicher Unterdrü-ckungszustände stehen, wenn sie durch Trost die Widerstandskräfte entschärft
(Deutsch) Interview Utopie Chorklang 2005
In 2005, the South West German Radio curated a series of concerts with contemporary music for choir, performed by their own SWR Vokalensemble. For the programme booklet, the choir principal Dorothea Bossert interviewed me as one of the composers who had worked with the choir before (in 1999/2000) about the future of choral music.
Utopie und Hoffnung I (HS 2017)
Die Legende von der Büchse von Pandora sollte bekannt sein: Nachdem Pandora, die erste Frau, gegen Zeus' explizites Gebot die Büchse, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hat, öffnete, sind aus ihr alle Laster und Untugenden entwichen, worauf hin das Schlechte die Welt eroberte. Bevor auch die Hoffnung entfliehen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen und die Hoffnung wurde in die Büchse weiter enthalten. Die Lektüren der Legende könnten gegen einander nicht diametraler konkurrieren: War es, die Hoffnung für den Menschen zugänglich zu machen oder vielmehr die Hoffnung vom Menschen zu halten? Ist die Hoffnung infolgedessen als gut zu betrachten, als Trost in Zeiten von Elend und als Reiz, um Tätigkeit zu erregen, oder als böse, d.h. als leere Hoffnung, in der es untätig geschwelgt wird? Sicherlich hat sich das Schlagwort "Hope" für Jeremy Corbyn bei der letzten Unterhauswahl im Vereinigten Königreich als immens hilfreich erwiesen, einen unvorstellbaren Wechsel in der britischen Politik zu erreichen. Zugleich ist Hoffnung dadurch als politisch-philosophischer Begriff wieder ins Leben gerufen worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Utopie. Vom Griechischen οὐ-τόπος abgeleitet und auf einen Ort hinweisend, den es (noch) nicht gibt, wird mit dem Begriff der Utopie, den 1516 der englische Staatsmann • Zweiter Teil: Utopien und das utopische Denken 04. 10. [3. Sitzung: Zwei utopische Modelle -Liberale vs. zentralistische Utopien]
Nach der verpassten Gelegenheit - Zur Kritischen Theorie der Kairószeit, 2020
Kairós bezeichnet sowohl den griechischen Gott der Gelegenheit als auch eine Denkfigur der Geschichtsphilosophie. In diesem Beitrag geht es um das Verständnis der Kritischen Theorie von Krise (Horkheimer), Kräftekonstellation (Benjamin), Erwarten bzw. Verpassen (Tillich, Adorno) und Konstitution (Hardt/Negri) als Aspekte eines historischen Kairós.