Revolution mit Hindernissen (original) (raw)
Related papers
Indien unter Premierminister Modi: Wandel mit Hindernissen
2015
Die Teilnahme als Partnerland unterstreicht Indiens wirtschaftspolitische Ambitionen unter dem Slogan „Make in India“. Die landesweiten Parlamentswahlen im Mai 2014 verschafften der siegreichen BJP unter Führung von Premierminister Modi ein für indische Verhältnisse deutliches Mandat für den politischen Wandel. Neben einer Revitalisierung der indischen Wirtschaft und ihrer Entschlackung von übermäßigen staatlichen Kontrollen hat sich die neue indische Regierung die Überarbeitung der Sozialpolitik sowie einen Neuanfang in der regionalen Nachbarschaftspolitik vorgenommen. Einem radikalen Politikwechsel stehen jedoch wirkmächtige Beharrungskräfte im Wege.
Das Hindernis und die Schwelle
Um eine Vorverständigung über das Thema zu erreichen, ist es mitunter sinnvoll, mit einem Gleichnis zu beginnen. Folgen Sie uns also zunächst auf einen Weg, den Bernd Jager (1992) skizziert hat und den wir hier in freier Interpretation nachgehen möchten. Er führt uns in eine der abgelegensten Weltgegenden, in die wir einen Geologen begleiten, der schon seit Tagen allein immer tiefer in ein menschenleeres Bergland vorstößt und nun jenes einsame Tal erreicht hat, das er vor Jahren auf einem Satellitenphoto als Gebiet identifiziert hat, in dem es ihm gelingen könnte, eines der großen Rätsel seines Faches zu lösen. Unser Geologe ist einigermaßen erschöpft nach den Strapazen, aber auch froh, endlich jenes Ziel erreicht zu haben, dessentwillen er die beschwerliche Expedition unternommen hat. Vor sich sieht er jetzt ein weites Hochtal ohne sichtbare Hinweis auf nennenswerte tierische und pflanzliche Besiedlung, eine Art Mondlandschaft aus Sand, Geröll und Felsen jeglicher Größe und Form. Er feiert seine Ankunft, indem er sich auf einen den größten Felsen setzt, von dem aus er das Gebiet weit übersehen kann, und sich aus seinen sich neigenden Vorräten stärkt, bevor er sein Notizbuch herauszieht, um erste Beobachtungen zu notieren. Schon im ersten Überschauen der Umgebung bemerkt er die Spuren eines einst mächtigen Flusses, der vor Millenien das Tal eingeschnitten haben muß, klar sichtbar in seinem einstigen Verlauf an den glatten, vom Wasser abgerundeten Steinen. Andere Felsformationen passen nicht in dieses Muster des Flusses, der Geologe verfolgt sie bis zur Bergflanke, die unter dem Einfluß erodierender Kräfte zu komplex übereinandergetürmten Blöcken abgerutscht ist, aus denen Wind, Sand und Regen bizarre Konfigurationen geformt haben, die einem nicht geologisch vorgebildeten Beobachter wie ein intergalaktischer Skulpturgarten vorkommen könnte. Unser Geologe gibt sich solchen ästhetischen Träumereien allerdings nicht hin, sondern liest die Lokalisation und das Aussehen der Gesteinsformationen lediglich als Archiv jener Naturkräfte, deren Wirken im Lauf der Jahrtausende ihre Spuren im Tal hinterlassen haben. Er ist darauf trainiert, jene spezifische Art von Geschichte zu rekonstruieren, in der es keine Subjektivität, keine Absicht, keinen Willen gibt, bloß 'blindes' Spiel der Natur. Und selbst wenn man konzidiert, daß es ihn als Beobachter für die wissenschaftliche (Re)Konstruktion dieser 'Naturgeschichte' braucht, weil er es ist, der die Naturkräfte zu räumlichen und zeitlichen Einheiten zusammenfügt ('das Tal', 'die Eiszeit'), die so in der Natur zunächst nicht vorhanden sind: Außerhalb der Aufgabe der wissenschaftlichen Rekonstruktion der Ereignisse ist in dieser Natur-Geschichte -in den Ereignissen selbst -keine Subjektivität am Werk. Im Unterschied etwa zu Beschreibungen einer Statue, die ein Bildhauer aus einem Block herausmeißelt -oder wie es Michelangelo einmal gesagt hat: aus dem Stein befreit, in dem sie eingeschlossen ist -, findet man in den Beschreibungen des Geologen daher auch keine Hinweise auf Subjekte, kein 'er bemühte sich', 'sie entschloß sich', 'sie wollten etwas ausdrücken', 'auf etwas anderes Bezug nehmen', 'etwas imitieren, weiterführen' etc. Sein Leitpronomen ist das 'es', und zwar nicht in einem lediglich neutral-geschlechtslosen Sinn, sondern in einem vollständig unpersönlichen: 'es regnete', 'es schmolz', 'es wurde zerrieben', 'es fiel' etc. -das 'es' der präpersonalen Welt vor der Unterscheidung in Geschlechter, vor der Unterscheidung in gut und böse, auch vor dem Einsetzen des Willens und des Begehrens. Eben jenes 'es' der modernen naturwissenschaftlichen Rationalität, welches die vormodernen Weltmodelle von Naturbeseelung oder göttlicher Schöpfung abgelöst hat und doch gleichzeitig, auf unbewußtem Niveau, in quasi-religiöser Weise unsere Sehnsüchte nach einer Paradies-Welt fortführt, die von Subjektivität und Differenzierung noch nicht berührt ist und daher keine Unvollständigkeit, keine Trennung, keinen Tod, kein 'anderes' kennt. 6
Denn alle Integration integriert ins Falsche. Der globale Kapitalismus ist nicht das Maß aller Dinge! Wer allerdings da hinein-integriert, verfestigt ihn. Dieses sozialdemokratische Programm lehne ich ab. Der sozialdemokratische Reform-Versuch, den Kapitalismus als System zu stabilisieren halte ich nicht für erstrebenswert: Erst dann, wenn die Systemfrage des globalen Kapitals, der globalen Arbeit und des globalen Geldes, der globalen Natur und des globalen Geistes wirklich gestellt werden, erst dann entsteht die Möglichkeit, auch dieses globale Kapital-System zu verändern. Integration aber buttert nur immer in dieses System hinein! Es verfestigt es also! Und im Grunde lehnen dies auch die Völker ab: Denn die Völker wollen nicht integriert werden in die totale Arbeit, in das System des Profits und der Ausbeutung, sondern die Völkerund auch ihre Individuenwollen leben in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und ohne Unterdrückung.
Die enttäuschten Revolutionäre
1997
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtIich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielf:iltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Revolution und Heilserwartung, 2019
Che Guevara, die Studentenbewegung und der Neue Mensch In den Aufzeichnungen, die Hans Magnus Enzensberger während seines Aufenthalts in Havanna zu Beginn des Jahres 1969 anfertigte, findet sich eine bemerkenswerte Miniatur. Verfasst als Vorarbeit für ein Buch über Kuba und die Revolution Fidel Castros, das letztlich doch nicht erscheinen sollte, wirkt sie vordergründig wie eine reportagenhafte, geradezu groteske Abhandlung über den vom Autor offenbar mit einigem Befremden wahrgenommenen Alltag im revolutionären Kuba. Jenseits dessen ruft die Miniatur jedoch ein grundlegendes Missverständnis auf, das dem geschichtsphilosophischen Denken jener Zeit, das sie selbst noch prägt, eingeschrieben ist.
Die Revolution und der Revolutionär
Die Revolution ist kein festes, kein statisches Ding-Element-Wesen. Sondern die Revolution selber ist das Produkt historischer, ökonomischer, sozialer, Entwicklungen. Die Revolution also bildet sich, genauso wie sich darin das Bewußtsein bildet: der Revolutionär also ist selber Teil und Moment dieser historisch-dialektischen Bildung und Entwicklung. Weder der objektive Part der Revolution, also weder die "Verhältnisse" sind einfach "da", sondern sie sind, wie alles im Leben und wie alles in der Geschichte, Momente des Werdens. In der Revolution wird etwas auf seinen Punkt gebracht: das, was latent immer schon da ist, formiert sich zu einer offenen Aktualität und Totalität. An diesem Punkt, dem Knotenpunkt der Geschichte, entsteht dann die reale Verlaufsform der Revolution. Die Partei, die Organisation, welcher Art auch immer, also das subjektive Moment der Revolution, das Bewußtsein dazu, also alle diesen "subjektiven" Momente und Elemente der Revolution entstehen gleichfalls erst im Laufe der historisch-dialektischen Entwicklung: eine Partei Neuen Typs, wie bei Lenin, braucht es nicht. Die Avantgarde ist Avantgarde, aber sie es im gleichen Sinne, wie dies avantgardistische Element je im subjektiven Bewußtsein des Arbeiters, den Menschen sich bildet und äußert. Die Avantgarde also ist keine abgehobene Partei und Disziplin, sondern eine je immanente selber des historisch-dialektischen Prozesses. Das subjektive Bewußtsein ist darin unumwunden kompatibel mit dem ebenfalls subjektiven Bewußtsein einer Partei oder einer Gewerkschaft oder einer sonstigen Institution: niemand hat die "Wahrheit" mit dem Löffel gefressen. Sondern in allem Bewußtsein bildet sich immer erst die Wahrheit. Die Partei selber, die Organisation ist kein Selbst-Zweck, kein Ding an sich, sondern ist Ausdruck selber der historisch-dialektischen Entwicklungen. Kein Wissen dieser Welt ist einfach "da." Nichts ist einfach ontologisch gegeben: evident. Sondern alles, was ist, im Sein wie im Geiste, ist Produkt einer langen Kette von Entwicklung. Der alte Dissens bei Lenin, aus "Was tun", entfällt hier: weil sowohl das Bewußtsein der Partei als auch das Bewußtsein des Arbeiters, des Menschen Produkte und Elemente sind des je immanenten Werdens, der je immanenten Bildung. Die Geschichte selber trägt diese Elemente als Potenzen je in sich: wenn sie sich zu Formen bilden, können sie aktiviert und realisiert werden. Dabei aber ist immer entscheidend, daß diese Potenzen im Geiste sich bilden: denn nur das, was im Geiste, was im subjektiven Geiste sich bildet, kann in den Bereich des Tuns, der Realisation und in den Bereich der Wirklichkeit übergehen. Was nicht gedacht wird, kann auch nicht gemacht werden. Wenn aber etwas gedacht wird, kann es auch gemacht werden. Deshalb gibt es hier im Bereich der Revolution nichts und niemanden, der "immer Recht" hat!
"Reform" sollte aus dem deutschen Sprachschatz gestrichen werden. Schon die "Steinschen Reformen" im 19ten Jahrhundert waren Ausdruck eines Kompromisses zwischen den reaktionären Karlsbader Beschlüssen und der 1830-1848 demokratischen Bewegung.