Leben wir in einer Angstgesellschaft? (original) (raw)
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Die Klimakatastrophe und Gemeinschaften der Angst
Y - Zeitschrift für atopisches Denken, 2024
In einer Antwort auf Lutz Götzmanns „Über die Heimatlosigkeit der Igel – und das Problem der Abwehr“ stimme ich nun endlich in seine Verteidigung der Affekte ein, was sich in der zweiten, der Hauptthese verdichtet: Um der Klimakatastrophe begegnen zu können, brauchen wir Gemeinschaften der Angst, eine gemeinsame Kulturarbeit an der Angst. Die theoretische Suche nach den Möglichkeiten einer solchen Gemeinschaft ist in unserer aktuellen Misere notwendig fragmentarisch, wild assoziativ. Und so verorte ich mich und uns zunächst in dieser Misere, wobei ich die These vertrete: Die „Zukunftsblase“, die Hegemonie des liberalgrünen Denkens, die sich in Fridays for Future verdichtete, ist geplatzt. In diesem Kontext, so präzisiere ich nachträglich, was Lutz Götzmann als Angriff auf die Affekte als solche erlebte, blies ich zum Angriff auf die Komplexe aus Schuld und Scham, die mir Anteil an der Misere zu haben scheinen. Das Gesetz, so die erste These, wäre der Ausweg aus diesen Komplexen – aber es versagt aktuell. Dann bleibt, so eine erste Hypothese, nur noch der Affekt der Angst. Und in der Tat, so eine zweite Hypothese, scheint mir die Angst einen Grundaffekt unserer Zeit zu bilden. Abschließend versuche ich mich also zu progressiven Gemeinschaften der Angst vorzutasten, die der Neuen Rechten – auch eine Kulturarbeit an der Angst – etwas entgegenzusetzen vermöchten und die ich, vielleicht etwas zu optimistisch, in unserem Klima-Laboratorium am IPPK vorgeformt sehe.
Sind wir alle Psychopathen geworden?
Sind wir alle Psychopathen geworden?, 2023
Eines vorab, alles hier im Folgenden Geschriebene beruht auf eigene oder zugetragene Beobachtungen und stellt keine rechtlich verbindlich korrekten Aussagen dar und sollte in jedem Fall als Fiktion betrachtet werden! Jeder Mensch hat eigene Beweggründe und nimmt Geschehnisse anders wahr, aus diesem Grund sollte man niemals andere Menschen aburteilen, nur weil Sie anderer Meinung sind! Jegliche Kultur auf der Welt hat sich entwickelt auf Grund von verschiedenen Gegebenheiten und jede Kultur hat eine Daseins Berechtigung! Der Text darf und soll ein wenig am Jahresende zum eigenen Nachdenken anregen! Sollten Sie mit harter Kritik nicht zurechtkommen, lesen Sie am besten nicht weiter! Ansonsten viel Spaß!
Wir sind alle Psychopathen oder?
Wir sind alle Psychopathen oder?, 2022
Es gibt große, kleine, größere, ganz kleine und welche dazwischen: Psychopathen. Manche wollen Chemtrails bekämpfen, aber fahren mit dem Auto zum Einkaufen. Einige wollen die Wände weiß haben, kaufen aber schwarze Farbe. Manche wollen kein mit Jod vergiftetes Salz im Essen, müssen aber „mal eben eine Rauchen gehen“. Manche wollen den politischen Wandel, gehen dann aber Grün statt Rot wählen, also Dreck statt Scheiße.
Man will Angst haben Der Streit um die Flüchtlingspolitik mag noch so sehr eskalieren, in einem Punkt scheinen sich alle einig: Die Menschen im Lande haben Angst, und weil die Politik diese Angst nicht ernst nimmt, erhalten Populisten Zulauf. Aber ist es tatsächlich Angst, was die Af D-Wähler umtreibt? Und was hieße es, sie ernst zu nehmen? Angst ist erstens ein subjektives Gefühl, die gleichermaßen drängende wie diffuse Empfindung, bedroht zu sein. Angst ist zweitens eine Emotion, der für andere – etwa als Erbleichen, Zittern oder Schweißausbruch – sicht-bare individuelle Ausdruck dieses Bedrohungsgefühls. Angst ist drittens ein kollektiver Affekt, eine überindividuelle Stimmung des Bedrohtseins, die Welt-und Selbstwahrnehmung in toto einfärbt. Angst als Affekt unterläuft die Differenz von Verstand und Gefühl, sie wirkt ansteckend und kann sich bis zur Massenpanik steigern. Viertens schließlich besitzt Angst auch eine kommunikative Dimension. Von Angst wird geredet, und sie verbreitet sich, indem von ihr geredet wird. Besonders in politischen Auseinandersetzungen fungiert sie als Argument, mit dem sich nahezu alles rechtfertigen lässt. Angstkommunikation dramatisiert und erzeugt einen Sog. Sie signali-siert, die Sache ist dringlich. Zeit kennt sie nur als stets viel zu knappe Frist. Die Angstuhr steht immer auf fünf vor zwölf. Wer Angst sagt, schaltet um in den Alarmmodus. Es muss etwas geschehen, und zwar sofort. Daraus folgt eine Dynamik der Überbietung, die in sich selbst keinen Haltepunkt findet: Immer ist da jemand, der sagt, es gehe nicht schnell genug, es werde nicht genug oder das Falsche getan, und überhaupt sei die Lage noch viel schlim-mer, als die Verantwortlichen zugäben. Das Sprechen über Angst wirkt selbst-verstärkend. Je mehr darüber geredet wird, desto größer wird sie. Bestim-men Angstthemen erst die Agenda, können die zu ergreifenden Maßnahmen gar nicht radikal genug sein. Wo die Angst regiert, herrscht die Logik des Ausnahmezustands: Demo-kratische Aushandlungsprozesse – dauern viel zu lang; humanitäre Erwä-gungen – ein Luxus für bessere Zeiten. Schon Fragen zu stellen heißt dem Gegner in die Hände zu spielen. Stattdessen wird die Wirklichkeit radikal vereinfacht: Wir oder die Anderen, Freund oder Feind, Schwarz oder Weiß. Für Zwischentöne und Ambivalenzen bleibt kein Platz. Als subjektives Ge-fühl mag Angst quälend sein, als »Brille«, durch die man auf die Welt schaut, ist sie verlockend. Sie löst zwar keine Probleme, aber entlastet ungemein.
Angst und Depressivität in der über 60-jährigen Allgemeinbevölkerung
Grundproblematik und Fragestellung: Angst und Depressivität führen zu einer hohen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Untersucht wurden Häufigkeit und Ausmaß auffälliger Angst-und Depressionssymptome in der älteren Allgemeinbevölkerung. Probanden und Methodik: In einer zufällig gezogenen Stichprobe über 60-Jähriger aus der Allgemeinbevölkerung (n = 622; Durchschnittsalter 69,55 Jahre; 56,1% Frauen), wurde mittels der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) die Häufigkeit von Angst und Depressivität untersucht. Ergebnisse: Auffällige Werte für Angst wiesen 7,6%, auffällige Werte für Depressivität 27,5% der Untersuchten auf. 31,7% der über 60-Jährigen zeigen einen auffälligen HADS-Gesamtwert als Maß für allgemeinen psychischen Distress. Selbsteingeschätzte Angst und Depressivität waren hoch miteinander korreliert (r = 0,69). Die Häufigkeit von Angst und Depressivität war bei Frauen geringgradig höher als bei Männern. Ein signifikanter Einfluss des Geschlechts auf das Ausmaß von Angst und Depressivität bestand aber nicht. Dagegen fand sich ein signifikanter Alterseffekt für Depressivität, wobei mit zunehmendem Alter höhere Angst-und Depressivitätswerte beobachtet wurden. Angst und Depressivität korrelierten signifikant positiv mit Symptomen des Müdigkeitssyndroms (fatigue) und mit subjektiven Körperbeschwerden sowie signifikant negativ mit Merkmalen der Lebensqualität. Folgerungen: Die Ergebnisse verweisen darauf, dass bei unspezifischen Körperbeschwerden und allgemeiner Müdigkeit älterer Menschen nicht nur die alterskorrelierte Multimorbidität als Ursache in Betracht zu ziehen ist, sondern auch ein Screening für Angst und Depressivität durchgeführt werden sollte.
"Sorget nicht" in der Sorgegesellschaft
Anna Henkel/Isolde Karle/Gesa Lindemann/Micha Werner (Hrsg.), Sorget nicht – Kritik der Sorge, 2019
Auf der Tagung des Forschungsschwerpunktes "Dimensionen der Sorge" in Villigst, die unter dem Titel "‚Sorget nicht'-Kritik der Sorge" stand, fiel es überraschend schwer, an die jesuanische Forderung des "Sorget nicht" konstruktiv anzuschließen. Im Vordergrund standen die unterschiedlichsten Formen der Sorge in philosophischer, theologischer und soziologischer Perspektive, aber weniger die Leitfrage, wie und unter welchen Bedingungen es gegebenenfalls sinnvoll und möglich ist, "sorglos" zu sein bzw. sich von der Sorge um sich, um andere und die Umwelt zu distanzieren. Ich möchte deshalb noch einmal dem Bibeltext nachgehen, der der Tagung den Titel gab, und fragen, was Jesus mit dem "Sorget nicht um euer Leben!" gemeint haben und was die jesuanische Weisheitslehre, die sich darin verbirgt, für den Lebenskontext im 21. Jahrhundert bedeuten könnte.
Wo Angst herrscht, können keine Innovationen entstehen
eco, 1999
Erschienen als Artikel in der Zeitschrift "eco" 5/99 Einführung Die Beratung in Innovationsprozessen zeigt, dass es menschlich nicht immer einfach ist, mit den Risiken und Unsicherheiten einer Neuentwicklung fertig zu werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn Misserfolge oder Fehlschläge zu verkraften sind. Mitarbeiter und Management von Forschung und Entwicklung brauchen daher eine hohe Frustrationstoleranz. Diese ist jedoch im betriebs-wirtschaftlichen Umfeld von F & E nicht immer gegeben, was unweigerlich zu Spannungen und Reibungsverlusten führt. Menschliche Fehlhaltungen führen dann häufig zu innovationsblockierenden Verhaltensweisen, die ein schnelles Lernen verhindern. Schaut man hinter die Bühne, sind diese Fehlhaltungen nicht selten durch Ängste ausgelöst, die wiederum im betrieblichen Zusammenspiel weitere Ängste auslösen. Ein Teufelskreis beginnt zu drehen, der zur Lähmung der Innovationskraft führt.
Schöne neue Demokratie - die neuen Angstregime
M. Brie (Hrsg.) Schöne neue Demokratie. Elemente totaler Herrschaft, Texte 39, Berlin 2007, 2007
Über Demokratie zu sprechen bedeutet über Macht und Herrschaft zu sprechen, über einen Weg, Herrschaft und Macht auszuüben. Verändern sich die Akteure in diesen Beziehungen, gewinnen oder verlieren sie Einfluss oder ändert sich der Gegenstand der Auseinandersetzung um Macht, verändert sich damit untrennbar auch der Charakter der Demokratie. Will man diese Veränderungen fassen, sollte man an erster Stelle die Konstante in ihnen bestimmen. Soweit Demokratie eine Art und Weise der Machtausübung darstellt und damit staatliche Institutionen, gesellschaftliche Organisationen usw. hervorbringt, ist sie nicht passive Hülle, sondern wirkt aktiv auf die Entwicklung der Machverhältnisse in der Gesellschaft zurück. Gegenstand der hier anzustellenden Überlegungen soll die Frage sein, wie das gegenwärtige demokratische politische System auf Motivationen, Antriebe zum Handeln in der Gesellschaft wirkt und damit auch den Charakter von sozialen Beziehungen beeinflusst. Eine zentrale Frage des Überlebens einer jeden Gesellschaft besteht darin, ob und inwieweit sie ihrer Struktur nach in der Lage ist, die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitglieder in einer sie selbst stabilisierenden Weise freizusetzen. Stabilisierend ist dabei nicht einfach als Konservierung eines gegebenen Zustandes zu verstehen. Vielmehr bedeutet Stabilität in dem hier zu betrachtenden Sinne, dass: -Gesellschaft in ihrer Totalität (Ganzheitlichkeit) fähig ist, der Tätigkeit ihrer Mitglieder eine bestimmte Richtung zu geben, -Gesellschaft Möglichkeitsfelder schafft, in denen Varianten eigener (d.h. sowohl der Gesellschaft als auch ihrer Mitglieder) Entwicklung praktizierbar und diskutierbar werden -Gesellschaft Raum für die Umsetzung von bestimmten auch widersprüchlichen Interessenkonstellationen in Handeln schafft und neue Interessenlagen produziert. Eine stabile Gesellschaft produziert so beständig die Voraussetzungen eigener Weiterentwicklung als Totalität. Dies bedeutet nicht, dass diese stabile Gesellschaft frei von Unsicherheit wäre. Gerade die kapitalistische Gesellschaft schöpft ihre Antriebe vor allem aus Unsicherheit und Angst, die notwendige Momente der Konkurrenz sind. Das Handeln der Einzelnen, der sozialen Gruppen wie auch der Gesellschaft insgesamt vollzieht sich ausgehend von der eigenen Interessenlage auf der einen und unter der Bewertung von Möglichkeiten, die die Gesellschaft in ihrer gegebenen Struktur bietet (oder zu bieten scheint) auf der anderen Seite. Aus der Wechselwirkung dieser beiden Komponenten erwachsen die Motivationen und Triebkräfte, Werte, Rechte und Pflichten, die