Gemeinsinn und Verantwortung (original) (raw)

Das kollektive Subjekt der Verantwortung

Responsibility has become an important notion in contemporary moral philosophy. In the context of ethics of institutions or systems this article tries to shed light onto the question whether or not a concept of collective responsibility can be helpful within the theory of responsibility. In order to clarify this problem this article starts with a summary of the theory of responsibility. The dimensions of responsibility are explained as are the different types and aspects of responsibility. From this platform a discussion of the pros and cons of the thought of a collective subject is traced. The acceptance of the possibility of a collective subject hinges on the ontological supposition of the possibility that a collective body can have its own existence. If this can be accepted the thought of collective responsibility offers a number of advantages.

Genre und Gemeinsinn

2016

Ein berühmtes Foto : Es zeigt einen Soldaten mit leerem Blick und weit geöffneten Augen; er scheint nicht bei Sinnen, entgeistert, doch nicht wahnsinnig, paralysiert, doch nicht tot. "Shell-Shocked Marine" lautet die Bildunterschrift, so als sei der Granatenblitz nur eine Steigerung fotografischer Belichtungstechnik. Kann man doch die Bildlegende nicht nur auf das dargestellte Gesicht, sondern auch auf die mediale Darstellungsform selbst beziehen. Jedenfalls schien mir das Foto seine Intensität daraus zu gewinnen, dass sein Sujet auf eigentümliche Weise mit dem medialen Prinzip der Fotografie übereinkommt: Die Zeit des im Granatenblitz erstarrenden Gesichts wird fassbar als die im Augenblick des Blitzlichts erstarrende Bewegung. Bewegung meint hier nicht irgendeine Bewegung im Raum, sondern eben jenes intensive Zusammenspiel mimischer Mikrobewegungen, das uns die Vorderseite eines Kopfes erst als ein Gesicht wahrnehmen lässt. Als mir dieses Bild in einem Fotoband der Arbeiten Don McCullins zum ersten Mal in den Blick kam, galt mein Interesse tatsächlich dem Gesicht selbst als Darstellungsform in den verschiedensten Künsten und Medien. Ich war auf der Suche nach Beispielen, an denen sich die Muster des Mienenspiels als eine spezifische Expressivität von Bewegung beschreiben ließen, die grundlegend für die kinematografische Visualität war. Dass diese Expressivität keineswegs an das filmische Bild gebunden ist, davon erzählt die lange Geschichte der Gesichtsdarstellung: von den Fayum-Porträts über die christliche Ikone bis zur neuzeitlichen Malerei. Und noch die fotografische Porträtkunst zielt in ihren Konventionen auf die Illusion des bewegten Mienenspiels, den lebendigen Ausdruck des Empfindens. Die Intensität, mit der das Foto als ein shell-shocked face den Betrachter trifft, ist also durchaus ein Effekt des poetischen Verfahrens. Doch hatte diese Intensität für mich noch einen ganz anderen Bezugspunkt. Denn in dem shell-shocked face der Fotografie schien sich eine Affektqualität zu enthüllen, in der ich ein Empfindungsmuster wiedererkannte, das mir kurz zuvor in einem Film begegnet war. Es handelte sich bei diesem Film um Terrence Malicks the thin red line (der schmale grat, USA 1998). Der Anblick des Fotos traf den gleichen Nerv; und das war nicht nur eine Frage verwandter Sujets. In dem einen wie in dem anderen Beispiel begegnete mir eine Art von "Gesicht ", das sich nicht als ein Sujet oder Motiv, ja das sich überhaupt nicht auf der Ebene des Dargestellten fassen ließ. An der Fotografie wurde greifbar, dass Gesichter keine fixierbaren Objekte darstellen; dass sich in ihnen vielmehr ein spezifischer Typus von Bewegungs

Verantwortung und Schuld

2017

Wir sind heute gewohnt, unter Schuld die moralische oder strafrechtliche Verantwortung des einzelnen Taters fur vorwerfbare Entscheidungen zu verstehen, auf die mit Strafe oder sozialen Sanktionen reagiert wird. Wenn hingegen von kollektiver Schuld die Rede ist, dann wird dies in der Regel entweder als eine abkurzende Redeweise verstanden, die die moralische und rechtliche Schuld vieler Einzelner zusammenfasst, oder als eine primitive Denkweise beurteilt, die unsinnigerweise Personen nicht aufgrund ihrer eigenen Entscheidungen, sondern als Mitgliedern einer Familie, Ethnie oder Nation eine Schuld an etwas zuschreibt, das zu verhindern gar nicht in ihrer Macht lag. Der Artikel behandelt wichtige Veranderungen der Schuldsemantik seit der Antike bis zum heutigen Verstandnis personlicher Schuld im moralischen und rechtlichen Bereich. Im letzten Teil geht es um die Schwierigkeiten, die sich aus der modernen Individualisierung und Moralisierung des Schuldbegriffes sowohl fur die Alltagspr...

Gemeinsame Elternverantwortung

Göttinger Juristische Schriften

BVerfGE Entscheidungen der amtlichen Sammlung BW Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande) CA Children Act 1989 Abkürzungsverzeichnis VIII Vol. Volume (Band) vs. versus z.B. zum Beispiel Ziff. Ziffer zit. zitiert ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch 1 Teile dieser Arbeit entstanden im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Macht und Ohnmacht der Mutterschaft (MOM)', das vom Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur gefördert wird: ‚Macht und Ohnmacht der Mutterschaft-Die geschlechterdifferente Regulierung von Elternschaft im Recht, ihre Legitimation und Kritik aus gendertheoretischer Sicht', Forschungsprojekt der Stiftung Universität Hildesheim und Georg-August-Universität Göttingen (https://www.uni-hildesheim.de/mom-projekt/), Verbundvorhaben im Rahmen der Förderlinie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ‚Geschlecht-Macht-Wissen. Genderforschung in Niedersachsen'. Wir bedanken uns für die Förderung durch das MWK und ebenso für die ausgezeichnete redaktionelle Unterstützung durch Assessorin Wibke Frey. 1.1 Gegenstand und Fragestellung 2 Länder zu lernen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren sowie Vor-und Nachteile unterschiedlicher Modelle zu diskutieren. Nach Trennung und Scheidung besteht inzwischen die gemeinsame elterliche Sorge in den europäischen Rechtsordnungen in der Regel fort, unabhängig vom Status des Kindes als eheliches oder nicht eheliches Kind. 2 Alleinsorge kann weiterhin aus Kindeswohlgründen angeordnet werden, ist aber seltener geworden. Dagegen stehen Fragen der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Vordergrund und beschäftigen in Streitfällen, vor allem nach Trennung und Scheidung, häufig die Gerichte. Bei Uneinigkeit der Eltern ist oft strittig, ob ein Elternteil eine bestimmte Entscheidung im Rahmen der gemeinsamen Sorge allein treffen darf und wem die Entscheidungskompetenz zusteht. Dies betrifft auch Fragen der rechtlichen Vertretung des Kindes, wobei europäische Rechtsordnungen deutliche Unterschiede in der Frage aufweisen, ob gemeinschaftliche Vertretung oder Einzelvertretung das grundlegende Prinzip ist. Typische Streitthemen vor Gerichten reichen vom Aufenthaltsbestimmungs-und Umgangsrecht einschließlich der Frage, ob das Gericht den alternierenden Aufenthalts des Kindes im sog. Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils anordnen kann, über Streitigkeiten im Falle eines geplanten oder bereits erfolgten Umzugs eines Elternteils mit dem Kind im Inland, ferner Reisen eines Elternteils mit dem Kind ins Ausland, Entscheidungen zur Kindergarten-und Schulwahl bis hin zur Gesundheitssorge für das Kind (Impfungen u.a.) oder Knabenbeschneidung. Diese Streitfragen finden sich in der Rechtsprechung zahlreicher Länder trotz grundsätzlicher Unterschiede in der jeweiligen Ausgestaltung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung und der Regeln darüber, was ein Elternteil allein entscheiden kann und was beide gemeinsam entscheiden müssen. Die unterschiedlichen nationalen rechtlichen Modelle zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge und der rechtlichen Vertretung des Kindes bewegen sich in einem Spektrum zwischen weitreichender Autonomie des jeweils betreuenden Elternteils auf der einen Seite und einem weitreichenden Kooperationszwang für beide Eltern auf der anderen. Im Mittelpunkt dieser Veröffentlichung steht die rechtsvergleichende Darstellung der Regeln über die gemeinsame Elternverantwortung und ihre Ausübung für mehrere europäische Länder auf dem aktuellen Stand, der bisher fehlte. Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der Rechtsregeln zur Lösung von Elternkonflikten, wenn die Eltern nicht zusammenleben.

Gemeinsame Absichten, kollektive Akteure und soziale Verpflichtungen

Handbuch Gemeinwohl, 2022

In der sozialen Praxis bereiten Zuschreibungen von intentionalen Einstellungen und Handlungen an Gruppen kaum Schwierigkeiten. Sie kommen wenigstens mittelbar immer dann vor, wenn zwei oder mehr individuelle Akteure gemeinsam, wenn Gruppen oder hochgradig organisierte Kollektive für ein kritikwürdi- ges Geschehen zur Verantwortung gezogen werden. In der Theorie ist jedoch umstritten, ob mit derlei Zuschreibungen auf irreduzible Phänomene referiert wird, ob insbesondere etwa kollektive Absichten oder kollektive Überzeugungen auf individuelle Absichten oder Überzeugungen reduzierbar sind und ob die Rede von kollektiven Akteuren sinnhaft oder bloß metaphorisch ist. Dieser Beitrag präsentiert die Grundzüge nicht-individualistischer Analysen gemeinsamer Ab- sichten sowie kollektiver Akteurschaft und zeigt ihre sozial-normativen Implikationen auf.

Verantwortung und Ethik

Zeitschrift für Medizinische Ethik 58.1 (2012): 23-36

Abstract english: The present article analyses the concept ‚responsibility’ both as object of as well as norm for ethics and having done so develops an argument for the basic responsi-bility of ethics. The first part of this article is devoted to the discussion of the concept ‚re-sponsibility’ and its facets of meaning. The second part of the article is meant to explore the question of the basic responsibility of ethics and of every person dealing with ethics respec-tively. In this connection, the article argues for a prospective responsibility to truth resulting from the character of ethics as the philosophy of morals. Abstract deutsch: Der vorliegende Artikel analysiert das Konzept ‚Verantwortung’ sowohl als Gegenstand als auch als Maßstab der Ethik und entwickelt auf dieser Basis ein Argument für die grundlegende und für alle Bereichsethiken inkl. der biomedizinischen Ethik gültige Verantwortung der Ethik. Ein erster Teil dieses Artikels ist der Diskussion des Konzepts ‚Verantwortung’ und seiner Bedeutungsfacetten gewidmet. Im zweiten Teil des Artikels wird der Frage nachgegangen, was die grundlegende Verantwortung der Ethik bzw. jeder sich mit Ethik befassenden Person ist. Der Artikel argumentiert hierbei für eine prospektive Verant-wortung zur Wahrheit, die sich aus dem Wesen der Ethik als Philosophie der Moral ergibt.

Im Bann der Verantwortung

2014

Verantwortung wurde in den letzten zwei Jahrhunderten vom marginalen Rechtsbegriff zum ethischen Schlüsselkonzept. Dank ihrer steilen Karriere ist sie zur unhinterfragten Norm unseres Handelns geworden. Wie beeinflusst Verantwortung unsere sozialen Praktiken - und wie verändert sich Verantwortung dabei? Was geschieht, wenn Verantwortung in der Arbeitswelt oder in der Kriminalpolitik zu einem verlangten Selbstverhältnis ohne substantielle Handlungsmacht wird, während die Philosophie Verantwortung an diese Bedingung knüpft?

Geteilte Verantwortung

2020

Kundinnen und Kunden wünschen sich personalisierte Informationen und Angebote. Gleichzeitig sorgen sie sich um ihre Daten. Die Frage ist nicht, ob Unternehmen persönliche Daten nutzen sollten. Die Frage ist, wie sie dies verantwortungsvoll tun können