Verwandlungen. Vom Über-Setzen religiöser Signifikanten in der Moderne (original) (raw)
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Es gibt viele Gründe, sich für das Phänomen der Konversion in religiösen Gemeinschaften zu interessieren. Und es gibt dementsprechend unterschiedliche Fragestellungen und wissenschaftliche Disziplinen, die sich dieser Aufgabe widmen. Psychologische, soziologische, theologische und religionswissenschaftliche Untersuchungen forschen auf je ihre Weise nach den Ursachen für einen Wechsel religiöser Orientierung. Sie versuchen, den idealtypischen Prozess von Konversionen zu beschreiben und zu erfassen oder zu klären, welche sozialen, theologischen oder psychologischen Konzepte einen solchen Wandel bestimmen. Insbesondere die Verbreitung neuer religiöser Strömungen wie zum Beispiel der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON) oder diejenige apokalyptisch-evangelikaler Gruppen in den siebziger Jahren führte zu einem signifikanten Ansteigen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Phänomen der Konversion. 1 Im Folgenden wird allerdings, etwas abseits vom Mainstream der Forschung, nicht die Befindlichkeit des Individuums, seine Motivation zu konvertieren oder die Erfahrungen in seinem neuen religiösen Umfeld thematisiert. Im Zentrum des Interesses steht vielmehr der Status der Gruppe, in die hinein sich der Neuling bewegt. Es soll gefragt wer-1 Vgl. die Auswertung der diesbezüglichen Literatur bei David A. Snow, Richard -15. 16 Προσήλυτος -Dieses Kunstwort nutzte die Septuaginta (LXX) zur Übertragung des hebräischen גר , insofern deren soziale Gleichheit mit den Israeliten betont werden
Transformationen des Religiösen
Einer der Begriffe, die zurzeit in den Geisteswissenschaften Konjunktur haben, ist der Begriff der Transformation. " Transformation " soll das Gleichbleibende und Übergreifende beschreiben, also nicht die Brüche, Diskontinuitäten und Neuerungen, wie dies z.B. der Begriff der Epoche tut. Grenzt der Epochenbegriff das Eine vom Anderen ab, so betont der Transformationsbegriff das Verbindende. Natürlich lassen sich die Konzeptionen nicht gegeneinander ausspielen, denn meist gibt es sowohl Kontinuität als auch Diskontinuität –, wie Reinhart Kosellecks Begriff der Sattelzeit nahelegt. 1 Dennoch kennen wir auch solche Zeiten, in denen der Schwerpunkt trotz gleichbleibender und " transformierter " Motivik verstärkt auf dem Neuen liegt. In diesen Zeiten finden so tiefgreifende Transformationen statt, dass sie als Neuerung und Bruch und als Diskontinuität empfunden werden. Diskontinuität zu betonen hilft beiden Seiten, den Vertretern des Alten und denjenigen des Neuen: Die einen betonen den Ab-Bruch als Zeichen für den Zusammenbruch, die anderen sehen ihn als Auf-Bruch zum Besseren hin. Die Beurteilung von Diskontinuitäten hängt also auch von Voreinstellungen ab und kann eine emotionale Basis haben, z.B. das Gefühl des Verlustes von Gewohntem. Wie stark die Beurteilung von Wandlung und Neuerung, Transformation und Epochenwende, Kontinuität und Diskontinuität von der jeweiligen Rezeption der Ereignisse abhängen, erkennen wir zu bestimmten Zeiten besonders deutlich: Die Schwelle zur Neuzeit war eine solche Zeit. Die " Renaissance " etwa wollte eine Wiedergeburt der Antike und ein Ende der ihr vorausgehenden Zeit markieren, die später als " Mittelalter " (ab)qualifiziert wurde. In der Spätantike stehen sich Vertreter der antiken Weltordnung und die entstehende Christengemeinde in gegenseitiger Apologetik gegenüber. Die emotionale Folie überdeckt Transformationsprozesse, die in Zeiten des Umbruchs sämtliche Legensbereiche durchdringen, aber auch Brüche und Neuanfänge beinhalten. Sowohl in der Neuzeit als auch in der Spätantike steht die fundamentale Wandlung der religiösen Sphäre im Zentrum aller Veränderungen und beide Zäsuren sind eng an die christliche Religion geknüpft: In der Spätantike liegt ihr Aufstieg, in der Neuzeit beginnt der Niedergang.
Der Wandel der Religiosität in modernen westlichen Gesellschaften
Volksreligion und Herrschaftskirche, 1996
in modernen westlichen Gesellschaften Der zentrale Begriff, mit dem die Soziologie den Wandel der Religion in der modernen Gesellschaft beschrieben und erklärt hat, ist zweifelsohne der Begriff der Säkularisierung. Ähnlich wie "Religion" ist auch "Säkularisierung" ein Begriff, der auf vielfaltige Phänomene bezogen wird, die in einer bestimmten Weise miteinander verknüpft sind, ohne daß jedoch ein Konsens über die exakte Bedeutung bzw. den Bedeutungsumfang dieses Begriffs besteht. 1 Daher hängt auch die Beantwortung der Frage, wie weit unsere westliche Gesellschaft bereits säkularisiert ist, nicht nur von einer unterschiedlichen Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität, sondern auch vom jeweils verwendeten Säkularisierungsbegriff ab. Viele der Merkmale, durch die der Prozeß der Säkularisierung charakterisiert wurde, lassen sich in letzter Instanz in zwei grundlegende Dimensionen zusammenfassen: a) die "Säkularisierung des Bewußtseins" 2 , die zunehmende Verbreitung von "Lebensdeutungen, die prinzipiell nicht mehr in ein religiöses Weltbild integriert werden können" 3 oder die "Entzauberung der Welt"; b) die "Abnahme der Bedeutung organisierter Religion als eines Mittels sozialer Kontrolle"\ der "Prozeß, durch den Teile der Gesellschaft und Ausschnitte der Kultur aus der Herrschaft religiöser Institutionen und Symbole entlassen werden" 5 oder die .,Privatisierung der Religion". Aus diesem Grunde betrachtet Matthes den Ausdruck Säkularisierung nicht als einen Begriff, sondern als ein ,,zeitgeschichtliches lnterpretament, in dem eine Fülle von Erfahrungen, von Situationsdeutungen und Zielvorstellungen in einen auslegungsfahigen Zusammenhang gebracht wird." (Religion und Gesellschaft, S. 84f.
Religiöse Diversität in der (post-)modernen deutschen Gesellschaft
2016
Individualisierung ist in (post-) modernen Gesellschaften Normalitat. Daher ist Diversitat und dessen Management ein omniprasentes Thema, sowohl in Unternehmen als auch der Politik, sogar in den Kirchen. In der Religionssoziologie versuchen drei Theorien die Sakularisierung und religiose Individualisierung zu erklaren. Neben dieser wissenschaftlichen Diskussion in der Soziologie, versuchen beide christlichen Kirchen Deutschlands einen geeigneten Umgang mit der Diversitat ihrer Mitglieder zu finden. Um dies zu erreichen, stutzen sich die Kirchen vor allem auf zwei Studien: Den Religionsmonitor und die Sinus-Milieus. Die erste liefert mit ihren rund 35.000 Interviews in 21 Landern eine breite, internationale und interreligiose Datenbasis. Die zweite entwickelt auf Grundlage des sozio-okonomischen Hintergrunds der Befragten zehn Lebensstile (Milieus) und setzt diese in Beziehung zu ihrer religiosen Glaubenspraxis. Auf Basis dieses Wissens, versuchen die christlichen Kirchen ihr Angebot...
Die religiös-praktizierenden Transmigrant:innen
2021
Die vorliegende Studie befasst sich mit dem transmigrationssoziologischen Phänomen der aus- und einwandernden türkisch-muslimischen Abiturient:innen, die in Deutschland geboren, auf-gewachsen und sozialisiert sind, sodann die Entscheidung getroffen haben für ein islamisches Theologiestudium in die Türkei auszuwandern und dann nicht dort verharrten, sondern nach Deutschland re-immigriert sind. Mit elf narrativ-(teil-)biographischen Interviews und der do-kumentarischen Methode geht diese praxeologische Arbeit interpretativ die individuellen und strukturellen Bedingungen an, die in den Biographieverläufen der Interviewees rekonstruiert werden. Sowohl gesellschaftliche als auch subjekt-interne Erfahrungen und Erlebnisse leiten die Handlungen der Proband:innen dazu an, den sozial-räumlichen Kontext zu wechseln und somit neue habituelle Praxismuster anzueignen, mit denen Lösungsstrategien gegen Diskrimi-nierungs- und Rassismuserfahrungen und für Identitätskrisen und -stiftungen generiert ...
1 Verwereldlijking in juridische en culturele zin Wer den Versuch unternimmt, die Schicksale der Religion und des Religiösen bei der Heraufkunft moderner Weltverhältnisse zu kommentieren, sieht sich sofort mit einem Begriff konfrontiert, der von zahllosen Autoren wie ein Generalschlüssel gehandhabt worden ist, um sich Zugang zu verschaffen zu allen Zimmern im gemeinsamen Haus der neuzeitlichen euro-amerikanischen Menschheit: Säkularisation. Was zunächst nur ein juristischer Terminus war, der die mehr oder weniger gewaltsame Übernahme von Kirchenbesitz durch Organe des modernen Nationalstaats nach der Französischen Revolution benannte, entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem Ausdruck, der die Richtung des Weltlaufs im ganzen auszusprechen schien -die wahre in den Augen der Fortschrittlichen und Laikalen, die falsche nach der Überzeugung der Modernisierungsverlierer. In katholischen Milieus sprach man von Säkularisation wie von einem Epochenverbrechen, das die narzißtisch-humanistische moderne Welt bei ihrem Aufstand gegen die gottgegebenen Ursprünge verübte. Für die Progressiven hingegen enthielt die Rede von Säkularisation das Versprechen, die Menschheit könne sich durch Arbeit und Selbstbestimmung von ihrer unwürdigen, religiös bevormundeten Vorgeschichte lösen. Das aufgeklärte Bürgertum glaubte sich dazu ermächtigt, die unproduktive Masse geistlicher Besitztümer zu enteignen und in die Hände einer fleißigen weltlichen Menschheit zu übergeben. Indem sie träge Kirchenschätze in aktive Kapitale umwandelte, exekutierte die Säkularisation im engeren Sinn die historisch fällige Modernisierung der Reichtümer. Dieser Tendenz hat zuletzt sogar der Vatikan folgen müssen, wobei er sich beim nachholenden Sprung zu finanzkapitalistischen Praktiken den Ruf erwarb, besonders schnell zu lernen. Der Übergang von der Schatzform des Reichtums zur Kapitalform affizierte mit Notwendigkeit alle übrigen Wertbereiche. Säkularisation wurde in der Folge zu einem Merkwort für den Abschied einer technik-und geschäftsmächtigen Gesellschaft von allen Denkweisen, die auf Axiomen von Passivität und Untertänigkeit aufgebaut waren. Modern ist, wer glaubt, daß man bis ins Äußerste etwas anderes tun kann als sich an Gott und höhere Gewalten hinzugeben. Der moderne Mensch will die höhere Gewalt nicht erleiden sondern sein. Als Programm für Verweltlichung im weiten Sinn kündigt die Rede von Säkularisation den Aufmarsch eines Menschentypus an, der sich einem dreifachen Programm verschrieben hat: dem der alleserfassenden Verarbeitung, der ständig erweiterten Selbstaktivierung und des gesteigerten Selbstgenusses in der Kraftentfaltung. Für mobilisierende Menschen dieses Schlages wird Gott -wie der Naturforscher Laplace in seiner berühmten Replik auf eine entsprechende Frage Napoleons sagtezu einer Hypothese, die sie bei ihren Geschäften nicht mehr benötigen. Überflüssig wird in einer gutausgebauten Handlungs-, Verfahrens-und Willenswelt tatsächlich der Gott, der in der theologischen Tradition als Urquelle des menschlichen Beschenktseins mit Existenz und Eigenschaften angebetet worden war. Er war der einen Weltbildwandel von verstörenden Ausmaßen. Mit dem Abenteuer der Verweltlichung hat sich der Pionierflügel der aktuellen Menschheit, angeführt von dem euro-amerikanischen Komplex, technisch, logisch und pychologisch ins Neue und Nieversuchte vorangewagt. Wenn wir uns einen geistesgeschichtlichen Aufbruch von vergleichbarer weltbewegender Gewalt vor Augen bringen wollen, müssen wir bis zur Emergenz der Hochkulturen und bis zur Auskristallisierung der von Karl Jaspers einst so genannten achsen-zeitlichen Denkformen zurückgehen.