Schweizerdeutsch und Sprachbewusstsein (original) (raw)

Zur Entwicklung von Sprachdifferenzbewusstein und Einstellung zu den Varianten des Deutschen in der Deutschen Schweiz

Werlen Iwar, 1993

Die Erforschung von Einstellungen gilt als besonders wichtige und auch methodisch bedeutsame Aufgabe in verschiedenen Disziplinen der empirischen Sozialwissenschaft, v.a. in der Sozialpsychologie und in der Soziologie (Petermann/Schäfer [Hrsg., 1988]). In gewissem Gegensatz dazu hat sich der Begriff der Einstellung in der deutschen Sprachwissenschaft bisher noch zu wenig eingebürgert. Die Vielfalt der empirischen Ergebnisse aus der nordamerikanischen Soziolinguistik. der Sozialpsychologie in Kanada und Grossbritannien (vgl. die Übersichtsartikel von Giles et al. 1987 und Bradac 1990) hat im deutschen Sprachraum wenig Entsprechung gefunden. (Vgl. Neuland [im Druck]: 703) Es gibt allerdings eine ganze Reihe von deutschen Spracheinstellungsstudien, die die soziale Bewertung regionaler Varianten der Standardsprache untersuchen.

Sprachbewusstheit

2011

Sprachbewusstheit entwickelt sich in der Fremdsprache auf Grund eines aufmerksamen Umgangs mit der neuen Sprache. Sie befähigt Lernende, die fremde Sprache kontrolliert anzuwenden und Verstöße gegen Regelungen im Bereich sprachlicher Formen und Strukturen sowie des Sprachhandelns zu erkennen und gegebenenfalls zu korrigieren. Damit wird jedoch nicht ausgesagt, dass diese Entwicklung in jedem Fall eintritt. Im englischen Teil von DESI wird untersucht, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler auf Grund ihrer unterrichtlichen Lernerfahrungen in Grammatik und sprachlichem Handeln abrufen und einsetzen können. Eine spezifische Teilkompetenz ist dabei die Fähigkeit zur Sprachreflexion. Sie beruht in der Regel auf Wissen über Sprache (explizites/deklaratorisches/verbalisierbares Wissen), während die Teilkompetenz der sprachlichen Korrekturfähigkeit stärker vom Wissen des Sprachgebrauchs oder des Sprachgefühls (vorwiegend implizites und prozedurales Wissen) bestimmt ist. (DIPF/Orig.)

Sprachbewusstheit Englisch

2013

Beim Lernen der Fremdsprache Englisch werden Schülerinnen und Schüler mit neuen kommunikativen und sprachlichen Regelungen konfrontiert. Gehen sie aufmerksam mit diesen Regelungen um, besteht für sie die Möglichkeit, besonders sprachbewusst zu werden. Die Sprachbewusstheit befähigt sie in vielen Fällen dazu, das gelernte Englisch kontrolliert anzuwenden, den Sprachgebrauch zu beurteilen und Verstöße gegen Regelungen zu erkennen sowie zu korrigieren. Ausgehend von diesen Vorstellungen wird im DESI-Modul Sprachbewusstheit untersucht, in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler entsprechende Kompetenzen im Wesentlichen auf Grund ihrer unterrichtlichen Lernerfahrungen in sprachlichem Handeln und in Grammatik abrufen und einsetzen können. (DIPF/Orig.)

23. Dynamik der Sprachnormen in der deutschen Schweiz

Doing Applied Linguistics

Die jeweiligen lokalen Standardsprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rumantsch werden in der obligatorischen Schule gelehrt, damit SchülerInnen "einen Platz in Gesellschaft und Berufsleben finden" (HarmoS, S-Konkordat, 2007: Art. 3a). Texte in der deutschsprachigen Berufspraxis weichen jedoch von der offiziellen schweizerdeutschen Standardsprache ab. Kann eine Dynamik festgestellt werden, die zu einer sprachpolitischen Diskussion über die schweizerdeutsche Standardsprache führen muss? 1 Die schweizerdeutsche Standardsprache Die deutsche Schweiz ist durch eine Diglossie-Situation der Dialekte und des schweizerdeutschen Standards geprägt (vgl. Siebenhaar & Wyler, 1997; Werlen, 1998; Werlen et al., 2002). Kindern wird bereits in der Grundschule beigebracht, dass der Dialekt als "Mundart" und der schweizerdeutsche Standard als "Schriftdeutsch" zu bezeichnen sind, "denn die hochdeutsche Sprache wird auf ihre Funktion in der Schriftlichkeit reduziert" (vgl. Ziberi-Luginbühl, 1998: 13). Den schweizerdeutschen Standard findet man darum insbesondere in Zeitungen, amtlichen Texten, der Kommunikation von Organisationen, Schulen, Berufsschulen etc. Eine Dynamik in Bezug auf die Diglossie-Situation in der deutschen Schweiz, die sich in den neuen Medien und der Literatur manifestiert, stellt die mediale Diglossie in Frage. Nicht nur in SMS, d. h. in konzeptionell mündlichen, aber schriftlich medialen Situationen, wird vermehrt Dialekt geschrieben. Auch die Rapporte der Aussendienstmitarbeiter (AD-Mitarbeiter-zur Zeit der Datenerhebung sind nur Männer im AD-Team) einer Handelsfirma, die in der Studie "Sprachmanagement im professionellen Netzwerk" mitgewirkt hat, weisen Muster auf, die nicht dem schweizerdeutschen Standard entsprechen. An welchen Normen orientieren sie sich? Ein Einfluss auf die Schreibsprache durch die Literalisierung der oralen Dialektkultur wird von Dürscheid (2011: 179) festgestellt. Sie spricht das Thema der Oralität der Dialektkultur und von dialektal verfassten SMS an. Textsorten, die sich zwischen einer konzeptionell mündlichen und einer konzeptionell schriftlichen Ausdrucksweise (vgl. Koch & Oesterreicher, 1994) befinden, könnten diesem Einfluss besonders ausgesetzt sein. Die Rapporte der AD-Mitarbeiter werden auf diese Vermutung

Einstellungen zu Standarddeutsch und Dialekt in der Deutschschweiz

Die Sprachsituation in der Deutschschweiz mit ihrem funktionalen Nebeneinander von Dialekt und Hochdeutsch und die Plurizentrizität der deutschen Sprache begünstigen die Entstehung von ambivalenten Gefühlen gegenüber dem Standarddeutschen: Einerseits erachten Schweizerinnen und Schweizer das (bundesdeutsche) Hochdeutsch als Instanz für ‚gutes Deutsch', andererseits empfinden sie eine emotionale Distanz zur ‚Quasi-Fremdsprache' Deutsch. Bisherige Studien in der Einstellungsforschung haben denn auch gezeigt, dass ein gespaltenes Verhältnis und negative Einstellungen zum Hochdeutschen entstehen können.