Die Last der Geschichte und die Falle der Erinnerung (original) (raw)

Die Last der Vergangenheit

Zeithistorische Forschungen, 2007

Das ubergreifende Thema dieser Debatte ist der ‚Dialog der Disziplinen‘. Die Gedachtnisforschung eignet sich besonders gut fur einen solchen Dialog, denn sie ist selbst ja keine Einzeldisziplin, sondern ein Thema, in dem sich die Fragen vieler Disziplinen kreuzen. Die Neurowissenschaften, die Psychologie, die Psychoanalyse, die Soziologie, die Literatur-, Kunstund Medienwissenschaft, die Politologie und nicht zuletzt die Geschichtswissenschaft sind in diesen Diskurs eingebunden. Die verstarkte Beschaftigung mit Gedachtnis und Erinnerung bedeutet fur die Geschichtswissenschaft auch, dass sie sich in einer immer starker ausdifferenzierten Medienlandschaft verorten muss. Die Geschichte ‚gehort‘ heute einer standig wachsenden Gruppe von Sachwaltern – neben den Professoren auch den Politikern, den Ausstellungsmachern, den Geschichtswerkstatten, den Burgerbewegungen, den Filmregisseuren, den Kunstlern, den Tourismusveranstaltern, den Infotainern und den Eventplanern. Das heist keineswegs,...

Die Erinnerung und ihre Kritiker/innen

„Der Holocaust hat keinen Platz im deutschen Familiengedächtnis“. Oder: „Deutschland schafft sich nicht selbst, sondern seine Tätererinnerung ab“. Mehr noch frappiert die Aussage, dass „Auschwitz und die Kristallnacht zum gemeinsam durchlittenen, romantisiert verklärten Horror von Juden und guten Deutschen gegen die bösen gesellschaftlichen Mächte“ wurden. Schenkt man Kritikern wie Harald Welzer, Max Czollek oder Michal Y. Bodeman Aufmerksamkeit, sieht man sich mit zum Teil verblüffenden Aussagen zur kollektiven Erinnerung an den Holocaust konfrontiert. Worauf stützen sich diese Auffassungen, und welche Argumente können dagegen ins Feld geführt werden? Diese Arbeit setzt sich mit der kollektiven Erinnerung, der Erinnerungskultur und ihren Kritikern auseinander. Sie ist in drei Teile gegliedert: Der erste Teil versteht sich als theoretischer Zugang über den Begriff des kollektiven Gedächtnisses und widmet sich der Frage, in welchem argumentativen Zusammenhang dieses bei der Gedächtnisforscherin Aleida Assmann eingebettet ist. Da mein Interesse der Erinnerung an den Nationalsozialismus und insbesondere an den Holocaust gilt, wird im zweiten Teil die Frage im Fokus stehen, wie das kollektive Gedächtnis einer deutschen Trägerschaft diese Erfahrung gespeichert hat. Zu diesem Zweck ziehe ich die vom Forschungsteam um Harald Welzer geführten Interviews mit Zeitzeugen und deren Nachfolgern heran. Basierend auf daraus resultierenden Forschungsergebnissen führe ich Haupteinwände gegen die Erinnerungskultur an und gehe auf die eingangs erwähnten provokativen Äußerungen ein. Aleida Assmanns Antwort auf diese Einwände runden das Vorhaben ab, womit die Erinnerungskultur „rehabilitiert“ und die Ansicht vertreten wird, dass die Anfechtung derselben auf einer antidemokratischen Grundannahme basiert.

Der Kampf der Erinnerungen war gestern, oder wie sich Erinnerungskultur gegen den Strich denken lässt

Blog "Erinnerungskulturen" der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien, 2015

Wie lässt sich die Beziehung zwischen verschiedenen Opfergeschichten neu erörtern? Michael Rothbergs „Multidirectional Memory“ ist ein Versuch, Erinnerungskultur in mehrere Richtungen, sozusagen gegen den Strich, zu denken. Damit stellt „Multidirectional Memory“ ein Modell vor, das eine interdisziplinäre und transnationale Untersuchung von Erinnerungskultur stützt.

Geschichte als Erinnerung

2000

Das Thema "Erinnerung und Geschichte" hat – wie auch die beiden Herausgeber Elisabeth DOMANSKY und Harald WELZER zu Beginn des Buches anmerken – schon seit einiger Zeit Hochkonjunktur. Der vorliegende Band selbst zeugt nun ein weiteres Mal davon. Erklarungsansatze fur diesen "Erinnerungsund Geschichtsboom" (S.9) werden in der Einfuhrung allerdings nur kurz gestreift. In diesem Buch stehen nicht die Ursachen der aktuellen Prasenz des Vergangenem im Mittelpunkt (vgl. z.B. JOHNSTON 1991), sondern vielmehr die unterschiedlichen Manifestationen der alltaglichen "Gegenwart von Vergangenem" (AUGUSTINUS) und ihre Folgen fur die individuelle bzw. kollektiv geteilte Sicht auf die Vergangenheit. Ziel des Bandes ist es, die "komplexen Prozesse, in denen sich individuelles und soziales Gedachtnis wechselseitig konstituieren" (S.23), von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Aus politischer, kultureller und wissenschaftlicher Perspektive sind Fragen von Erinn...

Historische Erinnerung angesichts neuer Herausforderungen

URL: https://www.geschichtslehrerverbandhessen.de/html/historische\_erinnerung.html, 2019

“The Dead are not dead.” Historical remembrance facing new challenges Conference held in the ASSITEJ* Workshop 2019, Wiesbaden, 17-06-2019 (*Association internationale du Théâtre pour l’Enfance et la Jeunesse) The conference (in German) points out the problems of new challenges for historical remembrance: (1) a new revisionism emerging through the nationalist critique of the “cult of guilty” and „political correctness“, (2) the question how to adapt historical remembrance in a multicultural society, and (3), relied to both of them, the problem of a wrongly ritualized and sometimes even contra-productive aspects of commemorative culture– all relied but not restricted to the specific German situation. The paper pleads for a new culture of memory culture by integrating more „positive“ historic references without forgetting the „negative“ ones. „Die Toten sind nicht tot.“ Historische Erinnerung angesichts neuer Herausforderungen Vortrag in der ASSITEJ-Werkstatt* 2019, Wiesbaden, 17.05.2919 (*Association Internationale du Théâtre pour l’Enfance et la Jeunesse) Der Vortrag zeigt das Problem der dreifachen Herausforderung der Erinnerungskultur auf, durch (1) einen neuen Revisionismus im Zuge der nationalistischen Kritik am „Schuldkult“ und der „political correctness“, (2) die Frage, wie Erinnerungskultur in einer multikulturellen Gesellschaft angepasst werden kann, und (3), mit beidem verbunden, das Problem einer fälschlicherweise ritualisierten und manchmal sogar kontraproduktiven Aspekten der Erinnerungskultur – alles mit der spezifischen deutschen Situation verbunden, aber nicht darauf beschränkt. Der Vortrag plädiert für eine neue Erinnerungskultur durch die Integration von mehr „positiven“ historischen Bezügen, ohne die „negativen“ zu vergessen.

Gegen Die "Kunst Des Vergessens": Gedächtnis – Museum – Geschichte

Museologica Brunensia, 2017

MARLIES RAFFLER "Ohne die Erinnerung und die Verdinglichung, die aus der Erinnerung selbst entspringt, weil die Erinnerung der Verdinglichung für ihr eigenes Erinnern bedarf, würde das lebendig gehandelte, das gesprochene Wort, der gedachte Gedanke spurlos verschwinden." 2 "Museums are in the business of history" 3-"Museums are in the memory business" 4 Sowohl der "Geschichte"-im Sinne einer wissenschaftlichen Disziplinund der Institution "Museum" ist, wie schon F. Waidacher und andere als Merkformel definierten, gemeinsam, das existentielle menschliche Bedürfnis "Erinnerung" wach zu halten und daraus Definitions-und Orientierungshilfen für Gegenwart und Zukunft abzuleiten. 5

Die erzählte Erinnerung: Ein Faszinosum aufgespannt zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

KULT_online, 2017

Erinnerungen faszinieren seit Anfang der Menschheit. Mit Rückgriff auf literarische und philosophische Werke insbesondere des letzten Jahrhunderts zeichnet der Philosoph Emil Angehrn in seiner Monographie Sein Leben Schreiben die Wege der Erinnerung nach. Er arbeitet heraus, wie sich die Erinnerung in ihrer existentiellen Bedeutung zur Lebensbeschreibung und zur menschlichen Zeiterfahrung verhält. Seine Ausführungen sind ein gelungenes und äußerst lesenswertes Abbild der Verstrickungen von Erinnerungen, Zeit, Selbst und Sprache, das sich nicht zuletzt der Frage stellt, wieso der Mensch überhaupt nach Erinnerungen verlangt. Since the dawn of men memories have been of great interest. By drawing on literary and philosophical works, especially from the last century, the philosophical monograph Sein Leben Schreiben attempts to make the ways of memories observable. Emil Angehrn explores memories in their existential meaning and their interaction with the concept of life-writing and human temporal experiences. His considerations are highly worth reading and a thoroughly well written reflection on the entanglement between memories, time, language, and the self. Moreover, he raises the question why we desire memories in the first place.

Vom Leben danach - über Schwierigkeiten des Erinnerns und Vergessens

2015

Das traumatische Erleben liegt jenseits der Sprache, drängt aber nach einer Symbolisierung, die stets scheitert muss. Der Autor berichtet aus seiner mehrjährigen Forschungsarbeit, in der er Überlebende und deren Kinder interviewte. Er berichtet von den Erzählungen der Zeitzeugen über ihren sehr persönlichen Kampf um das Leben und Überleben in den nationalsozialistischen Todeslagern und den Narben, die dieser Kampf hinterlassen hat. Auch im Leben ihrer Nachkommen sind die Erlebnisse im Lager ständig präsent. In einer Ausdifferenzierung des Konzepts der Transposition von Judith Kestenberg zeigt der Autor, auf welchen Wegen die traumatische Realität der Überlebenden an ihre Kinder übermittelt wird, die deshalb stets in einer doppelten Realität leben: in der gegenwärtigen und in der der Shoah, die ihren Schatten wirft.The traumatic experience lies beyond language but is pressing for a symbolization which necessarily has to fail. The author presents findings from an interview project wit...