Kraftwerk vs. Moses Pelham: Ende des jahrelangen Rechtsstreits? (original) (raw)
- Der Anlass des Streits: Moses Pelham hat 1997 eine Sequenz aus dem Kraftwerk-Stück "Metall auf Metall" verwendet und in veränderter Form als Endlosschleife unter das Lied "Nur mir" der Rapperin Sabrina Setlur gelegt. Pelham sagte, er habe das Stück, als er nach einem kalten Kontrast zu Setlurs Gesang suchte, in seinem Tonarchiv gefunden - und nicht mal gewusst, wie das Original hieß. In dem Stück wird es überlagert von E-Gitarren und Hip-Hop-Beats.
- Die Reaktion von Kraftwerk: Die Kraftwerk-Musiker Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben sahen durch das Sample ihre Rechte verletzt und verklagten Pelham daraufhin auf Unterlassung, Schadensersatz und Herausgabe der Tonträger - um sie zu vernichten.
- Warum es in dem Streit um Grundsätzliches geht: Hip-Hop-Produzent Pelham sieht die Freiheit der Kunst in Gefahr, da Sampling ein entscheidender Teil des Hip-Hops ist. Kraftwerk berufen sich auf ihr Recht als Urheber der Originalaufnahmen; ihnen geht es also um ihr geistiges Eigentum.
- Die Entscheidung(en) der Justiz: Der Streit ging durch alle Instanzen, vom Landesgericht über das Oberlandesgericht bis Bundesgerichtshof und EuGH. 2012 hatte Kraftwerk erreicht, dass "Nur mir" nicht mehr vertrieben werden darf. Dagegen legte Pelham eine Verfassungsbeschwerde ein, der sich auch andere Musiker anschlossen, darunter Sarah Connor, Bushido und Gentleman. Ihr Ziel ist es, dass die Verwendung fremder Beats in neuem musikalischem Kontext auch ohne Genehmigung möglich bleibt. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil 2016 auf und verwies auf das Gut der Kunstfreiheit. Es gab den Fall zurück an den BGH, der ihn schließlich dem EuGH zur Einschätzung vorlegte.
- Das Urteil des EuGH vom Juli 2019: Der EuGH befand, dass eine Vervielfältigung auch eines sehr kurzen Fragments grundsätzlich in das "ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers fällt". Daher ist es dem Hersteller auch gestattet, die Vervielfältigung ganz oder teilweise zu erlauben - oder eben zu verbieten. Aber: Der EuGH sieht keinen Verstoß gegen das Urheberrecht, wenn ein Nutzer "in Ausübung seiner Kunstfreiheit" ein Fragment entnimmt, um es "in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form" in ein neues Werk einzufügen. So wie im Falle von Pelhams Stück "Nur mir".
- Was jetzt geklärt wird: Die deutschen Verfassungsrichter hatten klargestellt, dass ein generelles Verbot von Sampling ohne Erlaubnis zu stark in die Kunstfreiheit eingreift. Laut EuGH kommt es allerdings darauf an, ob die übernommene Tonsequenz in dem neuen Werk für den Hörer wiedererkennbar bleibt oder nicht.