"Wer fährt denn gerne mit dem Judenstern in der Straßenbahn?" Die Ambivalenz des "geltungsjüdischen" Alltags 1941 bis 1945, in: D. Bergen / A. Löw / A. Hájkova (ed.): Alltag im Holocaust, 2013 München (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Nr. 106) S. 65-79 (original) (raw)
Related papers
In "Beziehungsweise Revolution" findet Bini Adamczak für den Zusammenhang zwischen der revolutionären Erhebung in Russland 1917 und der Judenfeindschaft eine anregende Formulierung: Es handle sich dabei um einen "die Revolution begleitenden Antisemitismus". Zum Beleg führt Adamczak eine Parole an, die Alexander F. Kerenski, Ministerpräsident der provisorischen Regierung, nach der Vertreibung aus dem Winterpalais auf einer Wand las: "Nieder mit dem Juden Kerenski, es lebe Trotzki!" Dieses Graffito wirft Fragen auf. Dass die Weißen Garden, die Feinde der Revolution, Jüdinnen und Juden hassten, dass sie und andere Konterrevolutionäre während des Bürgerkriegs mehr als 1000 Pogrome verübten und dass insofern der Versuch, die gesellschaftliche Ordnung in Russland umzuwerfen, von Antisemitismus begleitet war, ist bekannt. Doch die zitierte Aussage klingt, als hätten Revolutionäre sie verfasst. Die jedoch hätten wissen müssen, dass Leo Trotzki, der Oberbefehlshaber der Roten Armee, ein russischer Jude war – im Unterschied zu Kerenski. Was 1917 auf einer Wand stand, war kein Einzelfall.
legstellen dieses Beitrags entstammen dem Aktenband 25c-5150. Brief Horowitz an den Stadtdirektor von Rheydt, 14.02.1969, Bll. 1-2. 2 Ebd., Bl. 2. 3 Poale Zion oder Poalei Tzion (»Arbeiter Zions«), nach 1901 als marxistisch-zionistischer Arbeiterbund in Russland gegründet, fasste ab 1904 auch Fuß in Polen und Österreich. Vorder-bzw. Rückseite der Objektbeschriftung sowie der Briefkopf des Horowitz'schen Bitan in Sfad. Städtisches Museum Göttingen und Stadtarchiv Mönchengladbach, Bestand 25c-5150
ualberta.ca
Der folgende Artikel möchte untersuchen, wie sich internationale Studierende in einem studienvorbereitenden Kurs zu dem Thema ‚Erinnerung und Gedächtnis' der deutschen Erinnerungskultur nach 1945 annähern. Die Studierenden bekamen eine Schreibaufgabe, deren erster Teil an Lernstoff aus dem Kurs anknüpft. Im zweiten Teil der Schreibaufgabe wurden sie gebeten ihre Erwartungen an einen unbekannten Text aufzuschreiben. Als Vorgabe diente die Literaturangabe des Textes; der Text behandelt das Erinnern und Vergessen nach 1945. Die Auswertung der Lernertexte enthält zum einen quantitativ-qualitative Elemente, die auf einem Input-Output-Modell des Lernens basieren, zum anderen detaillierte Interpretationen mit Hilfe der Grounded Theory. An zwei Lernertexten wird diese Methode vorgestellt und in der Auswertung problematisiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass kulturelles Lernen ein stark individualisierter Prozess ist. This article explores how international students in an undergraduate preparatory course entitled 'Memory and Remembrance' approach aspects of German post World War II memory culture. Students were required to perform a writing exercise in which they refer back to basic ideas previously acquired in the course. In addition, they were asked to write down their expectations with regard to an unknown text whose bibliographical reference was given. The text deals with remembering and forgetting in Germany after 1945. In a first step, the texts were analysed by using quantitative and qualitative elements based on an inputoutput-model of learning. Then two texts were interpreted line by line according to the method of Grounded Theory. First results indicate that cultural learning is a highly individualized process.
(mit Kristoff Kerl), in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 29 (2020), 2020
1969 veröffentlichte der Joseph Melzer Verlag Darmstadt das autobiographische Werk Arrabal – Selbstdarstellung des spanisch-französischen Schriftstellers und Dramatikers des „absurden Theaters“ Fernando Arrabal. Das bibliophil ausgestattete Buch, Ladenpreis 75 Mark, versammelt sexuelle Lyrik und Prosa in spanischer und deutscher Sprache, dazu Zeichnungen und Bilder von Arrabal, die ihn vielfach mit erigiertem Penis zeigen. Bei Veröffentlichung ein Ladenhüter, ließen bald einsetzende hitzige Debatten um das Buch die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen. Diese nahmen im August 1970 mit einer Rezension des prominenten liberalen, nicht-jüdischen Publizisten Klaus Harpprecht ihren Anfang. Harpprecht, der bis 1969 als Leiter des S. Fischer Verlages tätig war und seit 1967 als geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift Monat fungierte, warf darin dem jüdischen Verleger Joseph Melzer vor, mit der Herausgabe von Arrabal Antisemitismus zu befeuern. Melzer, so Harpprecht, liefere dem alten antisemitischen Narrativ, das Pornographie und Judentum verbindet, neue Nahrung. Vor diesem Hintergrund, so Harpprecht weiter, könne man nur hoffen, dass „einer unserer jüdischen Mitbürger nach Darmstadt eilt, um dem verantwortlichen Herrn eins um die Löffel zu hauen“. Des Weiteren forderte er Melzer dazu auf, sich als „Bordellbesitzer“ in Florida oder Uruguay niederzulassen. Die scharfen Worte Harpprechts hatten einen Antisemitismusstreit zur Folge, an dem sich namhafte Autoren in fast allen großen bundesrepublikanischen Zeitungen und Zeitschriften der Zeit beteiligten. Nach Ansicht der Welt drohte sich der Fall zu „einem handfesten Literaturskandal auszuwachsen“, der laut Klaus Harpprecht in „etwa einhundert Tages- und Wochenzeitungen“ thematisiert wurde, zusätzlich habe es „einige Betrachtungen in Radiostationen“ gegeben. Auch auf internationale Periodika sollte sich der Streit ausweiten.
In den unmittelbaren Folgejahren des Zweiten Weltkriegs lebte ausgerechnet im Gebiet des besetzten Deutschlands eine kurzlebige und vielfältige ostmittel- und osteuropäisch-jüdische Kultur auf. Erst seit den neunziger Jahren widmet sich wissenschaftliche Forschung verstärkt der Geschichte der jüdischen sogenannten "Displaced Persons", die aus ihrer ehemaligen Heimat in Ost(mittel)europa gerissen, nun zu Tausenden in DP-Lagern, vor allem der britischen und amerikanischen Besatzungszone Deutschlands, oft über mehrere Jahre hinweg auf eine Möglichkeit zur Auswanderung warteten. Speziell den literarischen Erzeugnissen dieser Transitkultur widmen sich zwei Publikationen der letzten Jahre.